„Die Orden sind immer dann entstanden, wenn sie fehlten, als ein Impuls Gottes“, erklärte Pater Martin Werlen aus dem Schweizer Benediktiner-Kloster Einsiedeln den etwas widersprüchlichen Titel. So habe sich zum Beispiel der Bettelorden der Franziskaner Ende des zwölften Jahrhunderts als Spiegel-vorhaltendes Gegenmodell zur Prunksucht der Kirchenoberen gegründet. „Wir müssen das Prophetische unserer Berufung wiederentdecken, wieder erfahren, was es heißt, zu glauben“, sagte Pater Martin.
Er erlebe, dass viele Menschen eine große Sehnsucht nach Spiritualität hätten, aber keinen Ort fänden, der ihre Sehnsucht stillen könnte. „In der Außenwahrnehmung dreht sich bei uns alles um Zahlen und wir um uns selbst. Wir müssen Gott wiederentdecken“, forderte der Pater, „und die prophetische Dimension unserer Existenz leben, wie unsere Ordensgründer.“ Das seien ganz normale Menschen gewesen, mit Fehlern und Schwächen, „wie wir. Sie waren aber offen für das Geheimnis Gottes. Wer sich von diesem Geheimnis anstecken lässt, der wird zu einem Brandstifter, einer Brandstifterin des Glaubens. Unsere Aufgabe heute ist es, es wieder knistern zu lassen.“
Schwester Dr. Katharina Kluitmann, Provinzoberin der Franziskanerinnen von Lüdinghausen, ist sich sicher: „Gott ist da. Und überall gibt es engagierte Leute.“ Kluitmann hat die Hoffnung, dass sich diese Menschen vernetzen, „ihre vielen, kleinen Feuer des Glaubens vereinen und so die Welt in Brand setzen.“
Dass die Kirche und damit auch das Bistum Münster vor großen Zukunftsaufgaben steht, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nachmittags im Gespräch mit Bischof Dr. Felix Genn. „Ich bin dankbar für den Dienst der Ordenschristen. Gleichzeitig bedauere ich, dass die Orden eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie unsere Bistümer“, sagte der Bischof. „Ich habe für Schließungen totales Verständnis. Gleichzeitig befällt mich darüber aber eine tiefe Trauer, denn ich merke, dass da etwas verloren geht, das uns fehlt.“
Der Leiter Hauptabteilung Verwaltung im Bischöflichen Generalvikariat, Ulrich Hörsting, erklärte, dass die Kirchensteuereinnahmen dank guter Konjunktur und Beschäftigungslage zurzeit noch hoch seien. „Langfristige Prognosen gehen aber davon aus, dass das Bistum Münster bis zum Jahr 2060 bis zu 52 Prozent seines Haushaltvolumens verlieren wird. Darauf gilt es, sich einzustellen.“
„Wir stehen jetzt vor der Frage, was wollen wir lassen und was müssen wir beibehalten, wenn wir die Sendung der Kirche aufrechterhalten wollen“, erklärte Bischof Felix. Auf der Klausurtagung der Bistumsleitung im Januar 2020 würden in den Bereichen Personal und Baumaßnahmen erste Entscheidungen getroffen werden. Gleichzeitig betonte er: „Wir müssen es schaffen, dass wir unser territoriales System halten und gleichzeitig innovative Projekte, wie das Projekt frei.raum in Coesfeld, fördern können.“ Er habe dort vor kurzem „so tiefgreifende Gespräche mit jungen Erwachsenen geführt wie schon lange nicht mehr. Vielleicht, weil der Ort, die Schmiede, frei ist vom Geruch der Kirche.“ Das hätte in einer Pfarrei nicht funktioniert, war sich der Bischof sicher. Große Herausforderungen, denen sich Orden und Bistümer stellen müssen.
Jürgen Flatken