Pastor Sharko zur Lage in der Ukraine

, Bistum Münster, Kreisdekanat Steinfurt

„Die Menschen in der Ukraine sind bereit, für ihr Land zu kämpfen.“ Pastor Stephan Sharko sagt das mit klarer, ruhiger Stimme. Der 44-Jährige, der in Deutschland studiert hat und seit 2009 zum Seelsorgeteam der Altenberger Pfarrei St. Johannes Baptist gehört, ist in der West-Ukraine, in einer kleinen Stadt nahe der Grenze zu Polen, aufgewachsen. Die Sorge um sein Land lässt ihn zurzeit nicht los. Täglich verfolgt er mehrmals die Nachrichten. Trotz der politisch unruhigen Situation besucht er in diesen Tagen seine Heimat, die Familie, seinen Bischof.

Pastor Stephan Sharko

Pastor Stephan Sharko ist in der Ukraine aufgewachsen. Zurzeit besucht er seine Familie in der Heimat.

© Bistum Münster

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der aktuell eine große mediale Aufmerksamkeit bekommt, ist für Sharko und seine Landsleute nicht neu. Seit 2014 gibt es Kämpfe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. Mehrere Waffenstillstandsabkommen sind gescheitert. Dass russische Truppen an der Grenze aufmarschieren, erschreckt die Ukrainer deshalb nicht unbedingt, wohl aber die Massivität des militärischen Aufgebotes. „Die Menschen bereiten sich auf einen Krieg vor“, weiß Sharko aus Gesprächen mit seinen Verwandten und Freunden. Sie üben den Umgang mit Waffen, das belegen die Bilder in den Nachrichten. „Wenn Putin es wirklich wagt, die Ukraine anzugreifen, wird sehr viel Blut fließen“, befürchtet Pastor Sharko.

Von Deutschland würde er sich wünschen, dass sich die Politik deutlicher positioniert, so wie Außenministerin Annalena Baerbock und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es getan haben. „Viele trauen sich nicht, Russland zu kritisieren“, glaubt der katholische Priester. Grund seien meist wirtschaftliche Interessen. Sharko nennt nur ein Schlagwort: Nord-Stream, die Pipeline, die Deutschland mit russischem Gas versorgt.

Der Altenberger Pastor setzt eher auf die Unterstützung der Amerikaner: „Die USA helfen der Ukraine mit Waffen.“ Über die Helmlieferungen aus Deutschland könnte er lachen, wenn die Lage nicht so ernst wäre: „Das ist doch ein Witz.“

Warum sich die Deutschen vom russischen Machthaber einschüchtern lassen, für Stephan Sharko nicht zu verstehen. „Putin ist ein Verbrecher, mit dem man sich nicht einlässt“, gibt es für ihn in diesem Punkt nichts zu diskutieren. „Wenn Deutschland und auch Europa Werte verteidigen will, erwarte ich anderes“, macht er seiner Enttäuschung Luft.

Ein so großes Land wie die Ukraine einzunehmen, zu okkupieren, sei nicht leicht. Dies, ist Sharko sicher, sei auch dem russischen Präsident bewusst. Seit fast acht Jahren befänden sich die Ukrainer in einer Art Kriegszustand. „Sie werden ihr Land verteidigen, jedes Dorf wird sich wehren“, zeigt sich der Pastor überzeugt.

In der Angst vor einem Krieg geben die Kirchen in der Ukraine den Menschen Halt und Orientierung, hört Sharko immer wieder: „Viele kommen, um ihre Sorgen vor Gott zu bringen und für den Frieden zu beten.“ Auch deshalb hat der Geistliche noch ein kleines bisschen Hoffnung, dass eine Eskalation des Konfliktes in letzter Sekunde verhindert werden kann.

Gudrun Niewöhner