Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der aktuell eine große mediale Aufmerksamkeit bekommt, ist für Sharko und seine Landsleute nicht neu. Seit 2014 gibt es Kämpfe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. Mehrere Waffenstillstandsabkommen sind gescheitert. Dass russische Truppen an der Grenze aufmarschieren, erschreckt die Ukrainer deshalb nicht unbedingt, wohl aber die Massivität des militärischen Aufgebotes. „Die Menschen bereiten sich auf einen Krieg vor“, weiß Sharko aus Gesprächen mit seinen Verwandten und Freunden. Sie üben den Umgang mit Waffen, das belegen die Bilder in den Nachrichten. „Wenn Putin es wirklich wagt, die Ukraine anzugreifen, wird sehr viel Blut fließen“, befürchtet Pastor Sharko.
Von Deutschland würde er sich wünschen, dass sich die Politik deutlicher positioniert, so wie Außenministerin Annalena Baerbock und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es getan haben. „Viele trauen sich nicht, Russland zu kritisieren“, glaubt der katholische Priester. Grund seien meist wirtschaftliche Interessen. Sharko nennt nur ein Schlagwort: Nord-Stream, die Pipeline, die Deutschland mit russischem Gas versorgt.
Der Altenberger Pastor setzt eher auf die Unterstützung der Amerikaner: „Die USA helfen der Ukraine mit Waffen.“ Über die Helmlieferungen aus Deutschland könnte er lachen, wenn die Lage nicht so ernst wäre: „Das ist doch ein Witz.“
Warum sich die Deutschen vom russischen Machthaber einschüchtern lassen, für Stephan Sharko nicht zu verstehen. „Putin ist ein Verbrecher, mit dem man sich nicht einlässt“, gibt es für ihn in diesem Punkt nichts zu diskutieren. „Wenn Deutschland und auch Europa Werte verteidigen will, erwarte ich anderes“, macht er seiner Enttäuschung Luft.
Ein so großes Land wie die Ukraine einzunehmen, zu okkupieren, sei nicht leicht. Dies, ist Sharko sicher, sei auch dem russischen Präsident bewusst. Seit fast acht Jahren befänden sich die Ukrainer in einer Art Kriegszustand. „Sie werden ihr Land verteidigen, jedes Dorf wird sich wehren“, zeigt sich der Pastor überzeugt.
In der Angst vor einem Krieg geben die Kirchen in der Ukraine den Menschen Halt und Orientierung, hört Sharko immer wieder: „Viele kommen, um ihre Sorgen vor Gott zu bringen und für den Frieden zu beten.“ Auch deshalb hat der Geistliche noch ein kleines bisschen Hoffnung, dass eine Eskalation des Konfliktes in letzter Sekunde verhindert werden kann.
Gudrun Niewöhner