Pastoralassistenten entwickeln „Pfarr-Rad“

, Stadtdekanat Münster

„Ist das eine Kirche auf Rädern?“ Der Mann wirft einen neugierigen Blick auf das schwarzlackierte Lastenfahrrad mit der Aufschrift „Pfarr-Rad“. „So ungefähr“, antwortet Hannah Damm lachend und bietet ihm sogleich einen Kaffee an. Das sprichwörtliche Eis ist gebrochen. Es ist genau das, was sich die Pastoralassistentin aus der Pfarrei Liebfrauen-Überwasser und ihr Kollege Sven Bartnick, Pastoralassistent in der Pfarrei St. Nikolaus, mit der Idee ihres „Pfarr-Rads“ erhoffen. „Wir möchten Menschen als Kirche dort begegnen, wo sie nicht damit rechnen, und auf eine Weise, die sie nicht erwarten“, erklärt Bartnick. 

Die beiden Pastoralassistenten Hannah Damm und Sven Bartnick haben das „Pfarr-Rad“ entwickelt, um der Kirche an ungewöhnlichen Orten eine Präsenz zu verschaffen.

© Bistum Münster

Ein Fahrrad auf drei Rädern mit einer großen Kiste vorne, die Tischvarianten in verschiedenen Höhen und Ausrichtungen ermöglicht. Darin vier faltbare Hocker, ein Akku mit 1200 Watt und vier haushaltsüblichen Steckern, der ausreichend Strom für die kleine Kaffeemaschine, den Beamer und die Musikbox hergibt, die ebenfalls zur Grundausstattung gehören. „Damit ist das ‚Pfarr-Rad‘ autark und flexibel einsetzbar“, so Bartnick. 

Kurz nach Beginn der Ausbildung zum Pastoralreferenten/zur Pastoralreferentin kamen die beiden Kurskollegen ins Gespräch. „Wir haben festgestellt, dass wir oft die gleichen Leute treffen und nicht so recht aus dem kirchlichen Umfeld herauskommen“, blickt Hannah Damm zurück. Der 27-Jährigen fehlte der Kontakt zu den Menschen, die noch nie oder nicht mehr zur Kirche gehören. „Eigentlich müsste man die kirchlichen Orte verlassen und dorthin gehen, wo sich die Menschen aufhalten“, erinnert sich Sven Bartnick an Gedankenspinnereien, die schließlich die Grundlage für das „Pfarr-Rad“ legten. 

Kein Bauwagen, kein Bulli, sondern ein Fahrrad sollte es sein: „Das passt zu Münster und damit kommt man überall hin“, waren sich die beiden schnell einig. Mit einer konkreten Projektskizze bewarben sie sich für eine Förderung über den Innovationsfonds „Experimente wagen“ des Bistums Münster. Diese Summe sowie weitere Unterstützung der Pfarreien St. Nikolaus und Liebfrauen-Überwasser sicherte die Finanzierung des „Pfarr-Rads“, das Hannah Damm und Sven Bartnick von einer Berliner Firma für Lastenräder anfertigen ließen. 

Sven Bartnick

Pastoralassistent St. Nikolaus Münster

Seit der Auslieferung im Januar sammeln die Pastoralassistenten Erfahrungen mit dem innovativen Pastoralprojekt. „Wir haben schnell gemerkt, dass es ein Thema braucht, um gut mit den Menschen in Kontakt zu kommen“, berichtet Sven Bartnick von ersten Einsätzen beim Frühlingsfest im York-Quartier oder beim traditionellen Fußballspiel „Dorf gegen Heide“ in Wolbeck. Zwischen Bierwagen und Grillbude lockte bei letzterem ein Quiz mit der Überschrift „Wo wird´s gesungen, in der Kirche oder im Stadion?“ die Besucher zum „Pfarr-Rad“. „Wir haben Liedzeilen ausgesucht, die man den beiden Orten zuordnen musste“, erklärt Hannah Damm. Eine Idee, die bei dem ein oder anderen den Ehrgeiz anstachelte und zu guten Gesprächen am „Pfarr-Rad“ führte. 

Ob Kino unter freiem Himmel, ein Gesprächsangebot auf dem Friedhof, der Einsatz als Spielmobil: „Das ‚Pfarr-Rad‘ bietet eine breite Palette von Möglichkeiten und soll einen Raum eröffnen, auch für die Beteiligung von Ehrenamtlichen“, erklärt Sven Bartnick. „Manchen reicht ein ‚Hallo‘ von uns, einige erzählen bei einem Kaffee sogar von ihren Sorgen und manchmal können wir auch weitervermitteln“, verweist Hannah Damm auf Angebote der Caritas oder der Pfarreien. Doch manch eine Erfahrung ist auch herausfordernd, haben die beiden Pastoralassistenten festgestellt. „Kirche im öffentlichen Raum ruft durchaus auch Irritationen hervor, die nicht immer positiv sind.“

Dennoch: Die Kirche von den Menschen, nicht von den Mauern her denken: Was schon im Zweiten Vatikanischen Konzil in „Gaudium et spes“, der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, schwarz auf weiß festgehalten wurde, ist für Hannah Damm und Sven Bartnick heute mehr denn je Ansporn. „Die Kirche ist längst nicht mehr nur der Gottesdienst“, wissen die beiden, die dankbar sind, dass ihre jeweilige Pfarrei ihnen so viel Freiraum für die Umsetzung des Projektes gegeben hat. Künftig können auch andere Mitglieder der beiden Pastoralteams das „Pfarr-Rad“ nutzten. Je öfter, desto besser, freuen sich Hannah Damm und Sven Bartnick, wenn „Kirche in Bewegung kommt“. 

Ann-Christin Ladermann