Es war eine ruhige und sachliche Diskussionsrunde, moderiert von NRZ-Redakteur Andreas Gebbink, zu der die Wasserburg und das Bildungsforum im Kreisdekanat Kleve eingeladen hatten. Neben Tenbusch und Frings saßen die Präventionsfachkraft der Klever Pfarrei St. Willibrord, Frank Wietharn, und Professor Dr. Thomas Großbölting auf dem Podium. Großbölting war Leiter der Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster, deren Ergebnisse Wissenschaftler des Historischen Seminars der Universität Münster im vergangenen Jahr vorgestellt hatten. In seinem kurzen Eingangsreferat stellte der Historiker die Ergebnisse in der Wasserburg vor und machte deutlich, dass die Studie nicht alle Fälle habe erfassen können. „Es gibt noch immer Nachmeldungen, hier in Kleve gab es erst jüngst eine solche Meldung“, erinnerte er an den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters, der als Schuldirektor in Kleve eingesetzt war und dem massive sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird. Das Bistum hatte diese Vorwürfe nach der Meldung eines Betroffenen in diesem Jahr öffentlich gemacht.
Bei der Podiumsdiskussion ging es jedoch nicht um die Besprechung einzelner Fälle, sondern eher um eine Gesamtschau zum sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche, aber auch um die Frage nach Perspektiven, die sich aus der Studie und den Erfahrungen der vergangenen Jahre ergeben können. Es gäbe zwar schon, gerade bei den Themen Prävention und Intervention, eine gute Bewegung in die richtige Richtung, stellten die Teilnehmer der Diskussion fest. Deutlich wurde aber, auch bei Wortmeldungen aus dem Publikum, dass diese vielen Zuhörern noch nicht ausreiche. Er vermisse zudem den Diskussionsprozess innerhalb der Kirche, sagte Großbölting. Insgesamt sei sein persönlicher Anspruch an die Kirche ein größerer.
Frings stimmte der Kritik in vielen Punkten nicht nur zu, sondern bekräftigte sie auch. Jedoch sei es schwierig, in einer Institution wie der Kirche schnelle Veränderungen zu bewirken. „Wir versuchen in Münster erste Schritte, aber was in Jahrzehnten falsch gemacht wurde, können wir nicht in wenigen Jahren auf links drehen“, gab er zu bedenken. „Aber“, fügte er hinzu, „das, was wir ändern können, sollten wir auch angehen.“
Ein positiveres Bild aus der Arbeit vor Ort zeichnete Wietharn: „In der eigenen Gemeinde kann man mit Veränderungen schon loslegen und hat eine Chance, sich zu ändern. Bei uns werden viele Menschen zum Thema Prävention geschult und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.“ Er verwies zudem auf die Institutionellen Schutzkonzepte, die alle Pfarreien und Einrichtungen des Bistums geschrieben haben und mit denen sie gezielt die Präventionsarbeit unterstützen. „Wir als Gemeinde sind verpflichtet, das mit Leben zu füllen und nicht einfach abzuheften und ich habe den Eindruck, dass das gelingt“, erklärte Wietharn.
Deutliche Kritik gab es am sogenannten „Verfahren zur Anerkennung des Leids“, über das Betroffenen sexualisierter Gewalt Anerkennungszahlungen geleistet werden. Das Verfahren, beklagte Tenbusch, sei intransparent. „Wenn eine Zahlung genehmigt wird, dann gibt es nur eine Benachrichtigung über die Höhe der Auszahlung, aber keine Begründung.“ Die neu geschaffene Möglichkeit zum Widerspruch helfe nicht, da überhaupt nicht klar sei, wogegen sich der Widerspruch richten müsste. Frings stimmte zu: „Da muss sich dringend etwas verändern, dieses Verfahren halte ich für eine Katastrophe. Auch wir im Bistum wissen nicht, wie es zu dem Geldbetrag kommt, den die unabhängige Kommission Betroffenen zuspricht. Ich bin damit nicht zufrieden und wäre froh, wenn es eine feste, transparente Richtlinie gäbe.“
Gefordert wurde außerdem ein stärkeres Eingreifen des Staates, der sich „an vielen Stellen einen schlanken Fuß macht“, wie Großbölting es ausdrückte. Das sei sein sensibles Thema, weil die Religionsfreiheit grundgesetzlich geregelt sei, aber „der Staat lässt es an Distanz und Aufsicht vermissen. Bei Verbrechen wie sexualisierter Gewalt ist er gefordert, seine Bürger zu schützen.“
Christian Breuer