Populismus spaltet – immer

, Bistum Münster, Kreisdekanat Steinfurt

Sie beschäftigt sich tagtäglich mit der aktuellen Politik in Deutschland und der Welt – und wie sich die katholische Kirche dazu positioniert. Dr. Gabriela Schneider, gebürtig aus Rheine, ist Referentin im Katholischen Büro in Berlin, der Schnittstelle der katholischen Kirche zur Bundespolitik. Dabei ist die Arbeit des Büros geleitet von der Vorstellung, dass die katholische Kirche in Deutschland dem Gemeinwohl verpflichtet ist und sich in diesem Sinne in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringt. Besonders dann, wenn es darum geht, die Demokratie zu verteidigen. 

Dr. Gabriela Schneider

© Katholisches Büro

Angesichts stärker werdender rechter Tendenzen in Politik und Gesellschaft, machen Sie sich Sorgen um die Demokratie in Deutschland?

Ja. Wir sollten unsere Demokratie nicht für selbstverständlich halten. Demokratie bedeutet mehr, als dass Bürgerinnen und Bürger wählen und die politische Mehrheit dann die Regierung stellt. Sie lebt auch vom Schutz der Minderheiten, von den Grund- und Menschenrechten jedes Einzelnen als Mensch und von der Herrschaft des Rechts über die Macht. Sorgen macht mir, dass auch in Deutschland die Sehnsucht nach einfachen Schwarz-Weiß-Antworten von als stark wahrgenommenen Führungsfiguren zunimmt. Richtig gruselig wird es dann, wenn diese Figuren aus dem rechtsextremen Spektrum kommen. Dabei schadet Populismus jeder politischer Colour unserer Demokratie, weil er spaltet, Gruppen gegeneinanderhetzt und den Menschen einfache Lösungen für komplexe Probleme vorgaukelt.  
 

Was sagen Sie jungen Menschen in Deutschland: Warum lohnt es sich, sich für die Demokratie einzusetzen?

Unsere Demokratie gibt Euch die Macht mitzubestimmen, unter welchen Bedingungen Ihr Euer Leben leben könnt. Sie fußt auf der Überzeugung, dass wir alle als Menschen den gleichen Wert und individuelle Rechte haben, egal wo wir geboren sind, welches Geschlecht oder welche Religion wir haben, wie wir aussehen und wen wir lieben. Am 23. Februar steht diese Überzeugung auf dem Spiel und Eure Stimme entscheidet. Nutzt sie, um unsere Demokratie zu stärken! Zur anstehenden Wahl zu gehen, ist aber nur ein Baustein unserer Demokratie. Denn diese eröffnet Euch jeden Tag Wege, die Bedingungen für Euch und für alle Menschen in unserem Land besser und gerechter zu gestalten. 
 

Die Demokratie ist nicht nur die beste aller Staatsformen, sondern eine Lebensauffassung, so betont es Münsters Bischof Felix Genn immer wieder. Was meint der Bischof aus Ihrer Sicht damit? 

Demokratie ist mehr als die Organisationsform eines Gemeinwesens. Sie ist die Überzeugung, dass das Volk als „demos“ die Macht ausüben soll, als Gemeinschaft der Gleichberechtigten, die ihr Zusammenleben auf der Basis von Menschen- und Bürgerrechten als Rechtstaat gemeinsam gestalten. Demokratie bedeutet, unsere Mitbürger unabhängig von ihrer Abstammung als Gleichberechtigte bei der Gestaltung unseres Gemeinwesens und als Menschen zu achten. Als Lebensauffassung bedeutet Demokratie für mich, dass ich mich für diese Achtung einsetze, nicht nur, wenn gerade Wahlen sind oder wo Gesetze verabschiedet werden, sondern im Alltag, wenn es schlicht darum geht, anderen Respekt für ihren Beitrag an einem gelingenden Zusammenleben zu zollen und sie als meine Mitmenschen zu behandeln. 
 

Soll sich die katholische Kirche in die politische Debatte einmischen? Welchen Beitrag kann sie zur Förderung der Demokratie in unserem Land leisten? 

Die katholische Kirche hat einen Öffentlichkeitsauftrag, und ich finde es gut, wenn sie diesem nachkommt und christliche Werte in politischen Auseinandersetzungen ins Wort bringt, auch wenn es Gegenwind gibt. Papst Franziskus hat das in Fratelli Tutti – wie ich finde – wunderbar wie folgt formuliert: „Die Kirche kann und darf beim Aufbau einer besseren Welt nicht abseitsstehen, noch darf sie es versäumen, die seelischen Kräfte zu wecken, die das ganze Leben der Gesellschaft bereichern.“ 

Dabei ist mir klar, dass die Kirchen in den letzten Jahren viel von ihrem Standing verloren haben. Ihre Botschaft und die Werte, die in ihr enthalten sind, haben aber weder an Kraft noch an Aktualität eingebüßt. Das macht es nur noch wichtiger, sich auch im politischen Raum für sie einzusetzen. 
 

Trump, Putin, Kickl, Musk… Was können wir als Kirche und Gesellschaft solchen Menschen entgegenhalten?

Diese Aufzählung finde ich schwierig: Vladimir Putin spielt als Autokrat und Kriegsverbrecher in einer eigenen Liga. Was die Aktivitäten und Aussagen von sonstigen Populisten angeht: Wir dürfen nicht müde werden aufzuzeigen, wo diese menschenfeindlich, verlogen oder tatsächlich auf das Füllen des eigenen Geldbeutels ausgerichtet sind, wo Fakten verdreht oder sogar frei erfunden werden. Wir müssen uns selbst informieren, mitdenken, die Klischees und Vorurteile in unserem Kopf, die Populisten gerne nutzen, in Frage stellen, uns mit Respekt in die Diskussion mit unseren Mitbürgern wagen und letztlich unser eigenes Gemeinwesen mitgestalten. Und wir müssen die Werte, auf denen unsere Demokratie aufbaut und von denen sie lebt, in unserer Gesellschaft stärken. Das geht nur, indem wir sie selbst leben und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger hierbei mitnehmen. Und indem wir unseren eigenen Volksvertretern kommunizieren, dass wir von ihnen keine populistischen Augenwischereien wollen, sondern eine kluge, nachhaltig angelegte Politik auf der Grundlage von Mitmenschlichkeit erwarten. 

Gudrun Niewöhner