Queergemeinde Münster mit Diskussion zur Transsexualität in der Kirche

, Stadtdekanat Münster

Sie empfinden ihr angeborenes Geschlecht als falsch und fühlen sich dem Gegengeschlecht zugehörig: Transsexuelle Menschen haben oft einen schwierigen Weg hinter sich, in der katholischen Kirche fühlen sie sich – aus lehramtlicher Sicht – nur wenig willkommen. „Betroffene, die sich mit der Kirche verbunden fühlen oder eine Berufung in sich tragen, ringen sehr mit sich und werden nicht selten psychisch krank“, berichtete Iris Horstmann, seit 2021 Referentin für Diversität im Bistum Münster. „Sie wünschen sich einfach, dass die Kirche anerkennt, dass sie so von Gott gewollt sind, wie sie sich empfinden.“ Auf Einladung der Queergemeinde Münster gab Iris Horstmann bei der Podiumsdiskussion „Zwischen zwei Stühlen – Gott kann mehr als nur binär!“ einen Einblick in ihre Arbeit. 

„Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft und es steht uns an, eine vielfältige Kirche nach außen darzustellen“, betonte Iris Horstmann vom Bistum Münster.

© Bistum Münster

Als Expertinnen und Experten waren im Pfarrheim St. Joseph ebenfalls mit dabei Dr. Michael Szukaj, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Prof. Dr. Judith Könemann, Lehrbeauftragte in der Abteilung für Religionspädagogik, Bildungs- und Genderforschung an der Universität Münster, sowie Felix Adrian Schäper, Transmann und Vorstandsmitglied der Trans-Beratung „T-I-MS“ und der Trans-Beratung NRW. Anlass für die Podiumsdiskussion, an der auch der emeritierte Weihbischof Dieter Geerlings teilnahm, war der bevorstehende Christopher-Street-Day am 27. August. 

Szukaj ordnete Transsexualität zunächst aus medizinischer Sicht ein. Jahrhundertelang habe Transsexualität als psychische Störung gegolten. Man glaubte, das Geschlecht werde allein durch die äußeren Geschlechtsmerkmale festgelegt. Die Neurowissenschaft sei längst weiter, erklärte Szukaj, der als Berater und Psychiater prüft, ob Menschen, die ihr Geschlecht ändern wollen, wirklich transsexuell sind und die Folgen der geplanten Umwandlung psychisch gut verkraften können. „Das eigene Geschlecht wird heute weniger von den äußeren Merkmalen als vielmehr vom eigenen Denken und Fühlen bestimmt“, verdeutlichte er. Der Leidensdruck der Betroffenen, sich zu outen und entsprechende Schritte zu gehen, sei immens. „Glaubensfragen spielen in meiner Arbeit mit Betroffenen eine große Rolle, nicht zuletzt, weil sie bei uns buchstäblich ihren Glauben wiederfinden“, sagte Szukaj. 

Eindringlich schilderte Transmann Felix Adrian Schäper seine Geschichte.

© Bistum Münster

Binarität durchzieht sämtliche Bereiche der Theologie

Die kirchliche Position zur Transsexualität lieferte Judith Könemann. So gehe die Kirche von einem binären Verständnis von Geschlechtlichkeit aus. „Man muss also damit leben, dass man Mann oder Frau ist, ablegen kann man sein Geschlecht nicht“, gab sie das kirchliche Lehramt vereinfacht wieder. Die Binarität durchziehe sämtliche Bereiche der Theologie sowie der Sakramentenlehre. So sei beispielsweise für die Ehe wie für den Zugang zur Weihe das Geschlecht entscheidend. 

Wie es ist, ein Transmann zu sein, erzählte Schäper, der schon als Kind feststellte, dass er im falschen Körper geboren wurde. „Auf der Marienschule, dem Mädchengymnasium in Münster, war ich aus meiner Sicht der einzige Junge“, erinnerte er sich. Nach Depressionen und Suizidgedanken entschied er sich mit 43 Jahren für die Geschlechtsangleichung. Engagierte er sich früher in der katholischen Kirche, geprägt durch sein Elternhaus, änderte sich seine Einstellung, als er seine Trans- und Homosexualität benennen konnte. „Für die Kirche war ich damit gleich doppelt nicht-existent“, bedauerte Schäper, „dabei wäre es nur barmherzig, wenn die Kirche jeden Mensch so annehmen würde, wie er ist.“

Beratungsbedarf für transgeschlechtliche Menschen steigt

Moderiert von Jan Baumann von der Queergemeinde, diskutierten die Experten über die Frage, welchen Wert das Geschlecht hat, wie Identität bestimmt werden kann und ob es Transitionsgottesdienste oder eine Tauferneuerung für Transmenschen bedarf. „Das Gefühl von ‚Ich komme nicht vor‘ kann nicht durch seelsorgliche Angebote geändert werden“, war sich Judith Könemann sicher, „das kann nur durch veränderte Rechtsverhältnisse geschehen.“ Iris Horstmann wollte unabhängig von der Rechtsfrage die Idee einer möglichen liturgischen Form nicht ausschließen. „Damit könnte eine Art Anerkennung zum Ausdruck gebracht werden nach dem Motto ‚Wir sehen, welche Schmerzen, welches Leid Du erlebt hast, wir nehmen dich bewusst in die christliche Gemeinschaft auf und feiern dies auch“, regte sie zum Nachdenken an. 

Dass der Beratungsbedarf für transgeschlechtliche Menschen zunimmt, darin waren sich alle einig. Sowohl Szukaj als Mediziner als auch Schäper als Betroffener werden immer öfter angefragt und auch Iris Horstmann berichtete von zahlreichen Anfragen: „Es findet seit der Einrichtung meiner Stelle im Bistum ein Feuerwerk in diesem Bereich statt, ich versuche derzeit ein Beraternetzwerk aufzubauen“, sagte Horstmann, die auch von einem Fall einer Geschlechtsangleichung während der Ausbildung im pastoralen Dienst berichtete. Für die Diversitätsbeauftragte ist Kommunikation bei diesem Thema das A und O: „Wir müssen unsere Sprachfähigkeit in der Kirche erweitern, denn wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft und es steht uns an, eine vielfältige Kirche nach außen darzustellen“, betonte Iris Horstmann.

Ann-Christin Ladermann