Anwalt holte geraubtes Stiftskreuz zurück

, Bistum Münster

Die meisten Räuberpistolen im Fernsehen sind weniger spannend als das, was Jürgen Römer im wahren Leben passiert ist. Der Osnabrücker Rechtsanwalt fühlte sich am 14. Februar 2017 wie in einem Krimi. In der Hauptrolle: er selbst. Nach mehr als einem Jahr Verhandlungen brachte er am Valentinstag 2017 das Borghorster Stiftskreuz zurück nach Münster. Auf spektakuläre Weise – im Auftrag des Bistums Münster. Mit Blaulicht im Konvoi raste er von Bremen an den Domplatz. „Selbst rote Ampeln haben uns nicht aufgehalten“, erinnert er sich. Mit ihm im Auto waren mehrere bewaffnete Beamte – und der Koffer mit dem wertvollen Inhalt.

Borghorster Stiftskreuz mit Bischof Genn und Anwalt Römer

Die Rückkehr des geraubten Borghorster Stiftskreuzes war für Jürgen Römer (rechts) ein bewegender Moment. Der Osnabrücker Anwalt hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Münsters Bischof Dr. Felix Genn den Kunstschatz am 17. Februar 2017 den Medienvertretern zeigen konnte.

© Bistum Münster

2013 war das Borghorster Stiftskreuz am helllichten Tag aus einer gesicherten Glasvitrine in der St.-Nikomedes-Pfarrkirche in Steinfurt-Borghorst gestohlen worden. Obwohl die Täter, drei Männer aus Bremen, im Oktober 2015 vom Landgericht Münster zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, blieb das kostbare Kreuz verschwunden. Erst im Februar 2017 fand alles ein gutes Ende. Nach langer Wartezeit soll das Stiftskreuz nun am Samstag, 22. Juni, endlich auch wieder in die Nikomedeskirche zurückkehren. Die für die Präsentation in der Kirche erforderlichen hohen Sicherheitsmaßnahmen wurden im Rahmen eines Kirchenumbaus getroffen.

Wie kam er damals überhaupt an den Auftrag? Jürgen Römer weiß auch heute noch selbst kleinste Details: Als Strafverteidiger habe er dienstlich öfter mit der Polizei in Greven zu tun gehabt. Diese war für die Aufklärung des Stiftskreuz-Falls zuständig. Bei der Suche nach jemandem, der Kontakt zu den mutmaßlichen Auftraggebern aus dem libanesischen Miri-Clan aufnehmen sollte, fiel dann sein Name. Ein Gespräch mit dem damaligen Generalvikar Norbert Kleyboldt sei positiv verlaufen: „Wir waren uns schnell einig.“ Um sicher zu gehen, dass Römer ein seriöser Partner war, fragte der Generalvikar aus Münster vor der Mandatszusage beim damaligen Bischof von Osnabrück nach. Franz-Josef Bode garantierte Römer, der bis heute im Kirchenvorstand der Osnabrücker Domgemeinde ist, einen guten Leumund.

Der Rechtsanwalt nutzte seine Drähte ins einschlägige Milieu, besuchte inhaftierte Clan-Mitglieder in ganz Deutschland im Gefängnis: „Der eigentliche Plan der Diebe war wohl, den Kunstschatz an einen reichen Russen zu verkaufen.“ Doch weil der dreiste Raub eine unerwartet breite mediale Aufmerksamkeit bekommen hatte, fand sich kein Käufer fürs Kreuz. Zeit verging. Mitte Januar 2017 meldete sich plötzlich ein Anwalt aus Bremen bei Jürgen Römer: „Er sagte, wir könnten ins Geschäft kommen. Mehr nicht.“ Das war auch im Interesse der Versicherung, die für den Verlust des Kreuzes eine ordentliche Summe hätte zahlen müssen. Staatsanwaltschaft und Landgericht seien selbstverständlich ebenfalls informiert und eingebunden gewesen, betont Römer wiederholt sein gutes Verhältnis zu den Behörden. Er glaubt, dass der Clan froh war, das Kreuz endlich loszuwerden.

Auf dem Weg nach Bremen habe ihn die Polizei damals in Osnabrück abgeholt: „Hintereinander ging es mit mehreren Wagen zum Weser-Stadion.“ Von dort waren es nur noch wenige Kilometer zum Übergabe-Treffpunkt, einer Rechtsanwaltskanzlei. Während die Polizei draußen wartete, betrat Römer zusammen mit einer Kunstsachverständigen und einem Mitarbeiter der Versicherung die Büroräume: „Außer uns und dem Anwaltskollegen war niemand dort.“ Angst, nein, die habe er nicht gehabt: „Ich bin Strafverteidiger, da ist man einiges gewohnt.“

Mit Paketklebeband umwickelt habe der Anwaltskollege das Kreuz übergeben. Römer erinnert sich noch genau an den entsetzten Gesichtsausdruck der Sachverständigen. Millimeter für Millimeter habe sie mit weißen Handschuhen vorsichtig das Klebeband abgezogen und den Kunstschatz – wörtlich – genau unter die Lupe genommen: „Es war wie ein Wunder – nichts war zerstört.“ Die Versicherung zahlte dem Bremer Anwalt einen vorher vereinbarten, nicht unerheblichen Betrag, der aber deutlich geringer war als die Versicherungssumme für den Fall, dass das Kreuz nicht wieder aufgetaucht wäre.

Am Domplatz erwarteten Bischof und Generalvikar die Kolonne am späten Abend sehnsüchtig. Mit glasigen Augen habe Münsters Bischof Dr. Felix Genn das Stiftskreuz entgegengenommen. Doch nicht nur der Bischof, auch er selbst sei in diesem Moment tief gerührt gewesen, muss Römer im Nachhinein gestehen.

Drei Tage später folgte der große Auftritt vor Kameras und Mikrofonen. Das Interesse der Medienvertreter sei riesig gewesen. Unzählige Male musste er die Kurz-Version seiner Erlebnisse erzählen: „Das war wirklich aufregend.“

Um die Geschichte zu einem wirklich guten Ende zu bringen, will der Anwalt am 22. Juni nach Borghorst kommen und Zeuge der Rückkehr des Stiftskreuzes in die Nikomedeskirche sein. Den Termin hat er sich fest im Kalender eingetragen. Bei dieser Gelegenheit freut er sich nicht nur, das Kreuz wiederzusehen, Römer freut sich auch auf ein Wiedersehen mit dem Bischof von Münster.

Gudrun Niewöhner