Zahlreiche Stempel in ihren Pilgerbüchern zeugen von den mehr als 4.000 Kilometern, die sie zurückgelegt hat: in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, Portugal und Deutschland. „Ich bin jeden Kilometer selbst gelaufen“, sagt sie stolz. Nur der Weg von Coesfeld bis Nürnberg fehle ihr noch.
In den vielen Jahren hat Ulla Kortüm, mehr als 40 Jahre in der Behindertenhilfe in der Stiftung Haus Hall und der Marienburg gearbeitet hat, zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Die letzten 200 Kilometer des spanischen Jakobswegs seien inzwischen überlaufen, bedauert sie: „Das ist für viele ein Event mit Party und hat mit richtigem Pilgern nichts zu tun.“ Für Ulla Kortüm bedeutet Pilgern, sich auf den Weg einzulassen, offen zu sein für das, was kommt. Zwar erstellt sie vorab ein Raster, doch wenn es nicht passt, lässt sie es los. Vertrauen sei entscheidend – auf Unterkunft, Verpflegung und Begegnungen. Achtsamkeit, das eigene Tempo und gelegentliche Ruhetage seien ebenso wichtig wie der Verzicht auf falschen Ehrgeiz.
„Ich bin mit Gott unterwegs und gebe ihm meine Gedanken“, sagt sie. Pilgern helfe ihr, die Komfortzone zu verlassen und zu erkennen, wie wenig sie wirklich brauche. Sie habe gelernt, Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, und Vorurteile abzubauen.
Pilgern als Grenzerfahrung
Pilgern sei auch eine Grenzerfahrung: „Ich lerne viel über mich selbst, verlasse eingefahrene Pfade und gewinne neue Perspektiven. Das ist nicht immer schön, aber heilsam.“ Ihre Lebenshaltung habe sich dadurch verändert. „Ich spüre, dass ich versorgt, getragen und beschützt bin.“
Inzwischen organisiert und begleitet sie selbst Pilgertouren, etwa über das Katholische Kreisbildungswerk Coesfeld. Sie möchte das weitergeben, was sie selbst erfahren hat. Dafür absolvierte sie eine Ausbildung zur zertifizierten Pilgerbegleiterin beim evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken.
Bei ihren Touren legt sie Wert auf spirituelle Impulse, Schweigezeiten und Austausch in kleinen Gruppen. „Die Menschen haben eine tiefe Sehnsucht, bei sich anzukommen“, sagt sie. Aber auch das Gemeinschaftsgefühl dürfe nicht zu kurz kommen.
Pilgern als bewusst spiritueller Weg
Für Ulla Kortüm ist Pilgern ein bewusst spiritueller Weg: „Ich rechne damit, dass es Gott gibt, und schaue, wie er sich mir zeigt.“ Seit Jahrtausenden seien Menschen auf diesen Wegen unterwegs. Das hinterlasse Spuren. „Richtig zu pilgern geht mal nicht eben so, sondern es braucht Zeit.“
Ein paar Tipps hat sie auch: „Ich würde derzeit die klassischen Wege meiden und eher Nebenrouten wählen. Auch im Münsterland gibt es viele schöne Strecken.“ Besonders empfiehlt sie die Etappen des westfälischen Jakobsweg in der Region: von Nottuln über Gerleve nach Coesfeld, die Strecke von Billerbeck nach Havixbeck oder von Rorup nach Hamicolt. Ein guter Start- und Endpunkt sei immer eine Kirche oder ein anderer spiritueller Ort.
Michaela Kiepe

