Die Menschen werden zu Schachfiguren in einem zynischen Machtspiel“, erklärt Reidegeld. Unter den Menschen, die angelockt von Lukaschenko im belarussischen Wald an der Grenze zu Polen ausharren, sind auch viele Eziden, weiß der Kreisdechant. Reidegeld gehört zu einer bundesweiten Gruppe, die seit Tagen auf unterschiedlichen Wegen versucht, alle möglichen politischen Kontakte zu nutzen, um humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten. Enttäuscht ist er von der katholischen Kirche in Polen, die den harten Kurs der rechtsnationalen Regierung in der Flüchtlingspolitik mitträgt. Unverständlich für den Kreisdechanten, der trotz allem Hoffnung hat, dass sich zumindest kleine Kreise in der Kirche finden, die die Not der Menschen sehen und sie mit Lebensmitteln und wärmenden Decken versorgen. Hilfsorganisationen und auch Journalisten wird der Weg in das Gebiet, wo die Flüchtlinge eingekesselt sind, verweigert.
Dass Europa zu allem schweigt, ist für Jochen Reidegeld ein Skandal und ein Zeichen dafür, dass es in der Politik nicht um Menschlichkeit, sondern vielmehr um wirtschaftliche und strategische Interessen gehe. Die neue Bundesregierung, so der Kreisdechant, müsse sich fragen lassen, ob bei außenpolitischen Positionen künftig die Menschenrechte nicht stärker in den Mittelpunkt gerückt werden müssten.
Durch Fatimahs Familie bekommt das Drama ein Gesicht. Die Betroffenheit im Kreis Steinfurt ist groß. Aber auch die Hilfslosigkeit.
Gudrun Niewöhner