Sehbehinderte und Blinde treffen sich zum Kochen in der FBS Selm
In der Küche der Familienbildungsstätte (FBS) in Selm duftet es herrlich. Auf dem Programm des heutigen Kochkurses steht ein herbstliches Gericht.
Die Wirsingrouladen müssen noch ein bisschen garen, die Kartoffelplätzchen sind fast fertig und Suppe aus Spitzkohl und roter Bete steht zum Servieren bereit.
Unter der Leitung von Petra Gerlitz haben die acht Teilnehmer in den vergangenen eineinhalb Stunden das dreigängige Menü hergestellt, so wie es in zahlreichen weiteren Kochkursen in der FBS-Küche auch der Fall ist. Allerdings ist dieser Kurs besonders, obwohl es Außenstehende kaum merken. Denn die Frauen und Männer sind sehbehindert oder blind. Doch sie bewegen sich sicher in der Küche. Sie helfen sich gegenseitig."Was der eine nicht mehr sieht, sieht aber der andere. Das ist Teamarbeit", betont Teilnehmerin Monika Grünheit.
„Es ist unglaublich, mit welchen Kompetenzen die Teilnehmer dabei sind", sagt Petra Gerlitz. Anfangs habe sie Sorge gehabt, ob ein Kochkurs mit Sehbehinderten und Blinden möglich sei."Vor allem habe ich mich gefragt, ob ich dem gewachsen bin", gibt sie offen zu. Doch bereits nach einer halben Stunde sei ihr klar geworden:"Es gibt kaum Unterschiede zu Kochkursen mit sehenden Teilnehmern." Natürlich gebe es ein paar Besonderheiten zu beachten:"Dass keine Schubladen oder die Geschirrspülmaschine offen bleiben. Oder, dass ich meine Ansagen genau formulieren muss. Außerdem haben die Teilnehmer sich gewünscht, dass ich ihnen die Rezepte eine Woche vorher zuschicke, damit sie sich vorbereiten können", berichtet die Oecotrophologin.
Inzwischen treffen sich die Teilnehmer zu ihrem dritten Kurs. Einmal im Monat kommen sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Lünen, Karmen und Unna nach Selm. Teilweise nehmen sie bis zu 45 Minuten Anfahrt in Kauf, um mit den anderen von 10 bis 14 Uhr zu kochen und zu speisen."Wir hatten als Blinden- und Sehbehindertenvereins Bezirksgruppe Kreis Unna eine Hilfsmittelausstellung in den Räumen der FBS organisiert. Dabei haben wir auch die Küche kennengelernt und gedacht, es wäre ein gutes Angebot, gemeinsam zu kochen", berichtet Volker Feiweier von den Anfängen.
Und während die einen noch mit ihrem Gericht beschäftigt sind, waschen die anderen schon ab."Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt, denn in der Schule haben wir auch gekocht", berichtet Gisela Overmann. Doch ist es nicht nur das gemeinsame Tun, das den Teilnehmern Spaß macht, sondern auch das anschließende Essen."Es macht Freude, neue Gerichte kennen zu lernen", sagt Annette Roy, die auch zu Hause häufiger kocht."Das funktioniert ganz gut. Nur bei den Gewürzen muss ich mir Hilfen suchen. Salz portioniere ich zum Beispiel mit einem Löffel oder in der Hand", verrät sie ihre Tricks. Sie lasse sich nicht durch ihre Augenkrankheit unterkriegen, fügt sie noch bestimmt hinzu.
Das fällt bei allen Teilnehmern auf. Sie sind mit Eifer dabei, haben gute Laune und Spaß am gemeinsamen Kochen."Die Schnibbelarbeiten sind allerdings eine Herausforderung. Aber vieles kann man fühlen oder riechen. Beim Anbraten sieht man allerdings nicht, wenn etwas braun ist. Und wenn wir es riechen, ist es meistens schon zu spät. Da wäre es eine große Hilfe, wenn die Geräte sprechen könnten", wünscht sich Siegfried Mletzko. Insgesamt habe die zunehmende Digitalisierung für Menschen mit Sehbehinderung nicht nur Vorteile."Für uns ist beispielsweise ein Gerät mit Touch-Screen schwierig zu bedienen, egal ob Handy oder Herd. Wir brauchen Geräte, die sprechen können", macht Gisela Overmann aufmerksam.
„Ich möchte diesen Kurs nicht mehr missen. Er ist für mich etwas besonderes. Da arbeite ich doch gern", zeigt sich Kursleiterin Gerlitz von dem Angebot begeistert und weist darauf hin, dass es an den Vormittagen auch für andere Gruppen noch freie Kapazitäten in der Küche gibt.
Bildzeile: Einmal monatlich kochen Mitglieder des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bezirksgruppe Kreis Unna in der Küche der Familienbildungsstätte Selm unter der Leitung von Petra Gerlitz (2. von rechts).
Text: Bischöfliche Pressestelle / 22.11.16
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