Sibylle Lewitscharoff liest im Dom aus
Der Roman "Das Pfingstwunder" sei eine Art Gottesbeweis, schrieb die Wochenzeitung "Die Zeit" im Jahr 2016. Doch anders als bei philosophischen Versuchen, die Existenz Gottes zu beweisen, legt die Autorin Sibylle Lewitscharoff eine literarische Begründung vor:
Just in dem Augenblick, da die Glocken des Petersdoms das Pfingstfest einläuten, werden die Teilnehmer einer wissenschaftlichen Dante-Tagung in Rom von Verzückung ergriffen. Sie reden "in Zungen", erklimmen die Fensterbänke des Sitzungssaals und fliegen hinauf in den römischen Abendhimmel.
Im Rahmen der "Geistlichen Themenabende" liest Sibylle Lewitscharoff am Mittwoch, 8. März, ab 19.30 Uhr im münsterischen St.-Paulus-Dom aus ihrem Werk "Pfingstwunder". Biblisch betrachtet bezeichnet man als "Pfingstwunder" die in der Apostelgeschichte beschriebene wunderbare Fähigkeit der Jünger, von jetzt auf gleich in unzähligen in anderen Sprachen zu sprechen und sie ihrerseits zu verstehen.
Angelehnt an diese biblischen Ereignisse ist der Vortragsabend der Schriftstellerin mit "Glaube, der spricht" überschrieben. Im Gegensatz zu vielen anderen wirft sie der Kirche heute keineswegs eine barocke oder unklare Sprache vor: "Eher eine zu banale, die sich nicht um Schönheit, Innigkeit und Klarheit in schärferem Sinne müht." Da das pfingstliche Geschehen wundersame Wege geht, "ist hier die Schönheit der Sprache, welche höher hinaufzielt als die banale Alltagssprache, von besonderer Bedeutung", sagt Lewitscharoff.
Das Leitthema der diesjährigen "Geistlichen Themenabende" lautet: "Glaube kommt vom Hören". Wer hören will, muss offene Ohren haben. Die Autorin glaubt, dass die Menschen sich auch heute Gott zuwenden – besonders in schwierigen Lebenssituationen: "Spätestens, wenn sie den Tod nahe fühlen oder die Verzweiflung sie übermannt, können Menschen, die sich gemeinhin nicht an Gott wenden, dieses tun. Mir rückt der Glaube sowohl in der Verzweiflung als auch im hochgemuten Überschwang des Glücks näher. Das Ohr wird dann besonders empfänglich."
Warum sie ausgerechnet einen Roman über "Das Pfingstwunder" geschrieben hat? "Ganz einfach: Das Pfingstwunder ist hinreißend, und es passt überdies sehr gut zu Dantes Divina Commedia ("Göttlicher Komödie"), beziehungsweise zu einem Kongress, an dem sich Wissenschaftler aus aller Welt beteiligen", findet Sibylle Lewitscharoff.
Das von ihr erdachte "Pfingstwunder" klingt für manchen Leser und Zuhörer schräg: Der 62-jährige Dante-Forscher Gottlieb Elsheimer ist von dem geschilderten Ereignis tief verstört, vor allem, weil er als einziger von 34 Kongressteilnehmern zurückgeblieben ist. Weshalb ist er der Himmelfahrt nicht würdig? Weil er ungläubig ist? Gleich zu Beginn bekennt er, dass er den Kinderglauben an Jesus längst verloren hat. Behalten hat er allerdings das Gerechtigkeitsgefühl: "Ist es etwa gerecht, dass an so vielen Orten der Welt die Menschen auf übelste Weise verrecken, dass sie verhungern, vergast, erschossen, erschlagen, aufgeschlitzt oder gefoltert werden? Und Gott schaut einfach zu?"
Ob Elsheimer eine Antwort darauf bekommt? Sibylle Lewitscharoff lässt am 8. März in Münster die offenen Fragen der Theodizee, der Rechtfertigung der Güte Gottes angesichts des Leids in der Welt, jedenfalls nicht aus.
Alle "Geistlichen Themenabende" werden im Internet übertragen. Interessierte können sie auf den Seiten ww.bistum-muenster.de, www.paulusdom.de, www.kirche-und-leben.de, www.katholisch.de und www.bibeltv.de/livestreams live verfolgen.
Zur Person
Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart als Tochter eines bulgarischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, studierte Religionswissenschaften in Berlin, wo sie, nach längeren Aufenthalten in Buenos Aires und Paris, heute lebt. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als Buchhalterin in einer Werbeagentur. Sie veröffentlichte Radiofeatures, Hörspiele und Essays. Für "Pong" erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Es folgten die Romane "Der Höfliche Harald" (1999), "Montgomery" (2003) und "Consummatus" (2006). Für "Apostoloff" erhielt sie 2009 den Preis der Leipziger Buchmesse. 2013 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Bildunterschrift: Sibylle Lewitscharoff liest am 8. März im münsterischen St.-Paulus-Dom aus ihrem Roman "Das Pfingstwunder".
Text: Bischöfliche Pressestelle / 03.03.17
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de
Foto: Jürgen Bauer/Suhrkamp-Verlag