Stele statt Baum für Missbrauchsbetroffene

, Kreisdekanat Warendorf

Ein kalter Novembertag, die Blätter der Bäume rascheln im Wind – und neben der Kirche St. Johannes Evangelist in Sassenberg steht eine schlanke, silberfarbene Stele, auf der Fußabdrücke zu sehen sind. Zuerst klar und fest, dann plötzlich unterbrochen. „Das Thema dieser Skulptur ist ‚Die gebrochene Spur‘“, erklärt Pfarrer Andreas Rösner. „Durch die Erfahrung sexuellen Missbrauchs ist in den Betroffenen viel zerstört und zerbrochen, was sie ihr Leben lang mittragen und unter dem sie leiden.“
 

Pfarrer Andreas Rösner an der Stele, die an die Missbrauchsbetroffenen erinnert.

© Bistum Münster

© Bistum Münster

Auf Initiative von Betroffenen hatte das Bistum im vergangenen Jahr empfohlen, in jeder Pfarrei eine Blutbuche als Zeichen der Erinnerung zu pflanzen. In Sassenberg entschied man sich bewusst für einen anderen Weg. „Vor und an unserer Kirche stehen schon viele große Bäume und eine Blutbuche hätte nicht mehr dazwischen gepasst“, sagt Rösner. 

Doch der Platzmangel war nur ein Grund. Rösner erläutert: „Wir wollten etwas anderes machen, einen Künstler beauftragen, der sich Gedanken zu dem Thema macht, und einen Erinnerungsort schaffen.“ Die Inspiration dafür holte er sich aus der Kapelle der Loburg in Ostbevern, wo bereits ein künstlerisch gestalteter Erinnerungsort existiert. „Das habe ich dann in den Pfarreirat und den Kirchenvorstand hineingegeben, die die Idee auch gut fanden.“

Für die Umsetzung wurde Basilius Kleinhans aus Sendenhorst beauftragt. Rösner erinnert sich: „Er war zuerst sehr überrascht von der Thematik, wusste aber um die Problematik und wollte sich gerne selbst damit auseinandersetzen.“ Er entwarf die Stele „Die gebrochene Spur“. Ergänzt wird das Kunstwerk durch eine Gedenktafel mit einem Wort aus dem Buch Kohelet: „Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne. Und siehe, da waren die Tränen.“
 

Die Finanzierung erfolgte durch Spenden sowie durch Mittel der Kirchengemeinde. Aufgestellt wurde die Stele an einem gut einsehbaren Weg neben der Kirche, sodass Besucher beim Vorbeigehen mit dem Thema konfrontiert werden. Rösner betont: „Wir haben die Stele im Zusammenhang mit dem jährlichen Gedenktag und Gebetstag der Kirche für die Opfer von Missbrauch der Öffentlichkeit vorgestellt und gesegnet. Das schien uns ein angemessener Termin zu sein.“

Die Pfarrei hofft, dass die Stele nicht nur ein Ort der Erinnerung ist, sondern auch andere Gemeinden und Einrichtungen inspiriert, eigene Formen der Erinnerung zu schaffen. „Es ist ein Prozess, etwas Eigenes zu schaffen, das die Tragweite des Themas aufgreift und Raum für Reflexion bietet“, erklärt Rösner abschließend.

Ann-Christin Ladermann