Stellungnahme von Bischof Genn bei der Übergabe der Missbrauchsstudie

, Bistum Münster

In einer ersten Stellungnahme zu den Ergebnissen der Missbrauchsstudie der Universität Münster hat Bischof Dr. Felix Genn Konsequenzen angekündigt und um Entschuldigung gebeten. Ausführlich wird er sich zur Studie am Freitag, den 17. Juni äußern. 

Hier die Stellungnahme des Bischofs im Wortlaut:

Bischof Dr. Felix Genn

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit großem Respekt stehe ich hier vor Ihnen beiden, Frau Wiese und Herr Theilmann, die Sie die Studie stellvertretend für alle Betroffenen erhalten haben, und vor allen weiteren Betroffenen sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster, die bereit waren, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der WWU ihre Leidensgeschichten zu erzählen. Nur so war es dem Team der WWU Münster möglich, mehr Licht in das Dunkel sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung zu bringen. Ich bin der festen Überzeugung: Die Untaten sexuellen Missbrauchs und die Vertuschung durch kirchliche Verantwortungsträger müssen in völliger Unabhängigkeit von kirchlichen Institutionen aufgearbeitet werden. Das haben die Wissenschaftler der WWU getan. Auf eine solche Aufarbeitung haben alle und haben insbesondere Sie und alle Betroffenen sexuellen Missbrauchs einen Anspruch. 

Angesichts des Leids, das Sie und alle Betroffene durch Priester erfahren haben, ist mir als Verantwortlichem der Kirche, als Priester und als Mensch bewusst, dass ich nicht erwarten kann, dass Betroffene sexuellen Missbrauchs eine Bitte um Entschuldigung durch mich annehmen. Eine Betroffene sagte mir sogar nach einem Gespräch, dass sie mir nur deshalb geglaubt habe, weil ich auf eine solche Bitte verzichtet hätte. Zugleich weiß ich, dass für viele andere Betroffene eine ehrliche Bitte um Entschuldigung wichtig ist. 

Sehr gewiss bin ich mir, dass eine Bitte um Entschuldigung nicht ausreicht. Mit dem Eingeständnis von Fehlern und einer ehrlichen Reue muss eine wirkliche Umkehr verbunden sein. Konkret heißt das für mich: Es müssen über das hinaus, was schon geschehen ist, weitere Konsequenzen im Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster gezogen werden. Das ist für mich eine Verpflichtung, an der ich mich messen lassen möchte. 

Indem ich mich also dazu verpflichte, möchte ich alle Menschen, die durch sexuellen Missbrauch durch Priester und andere kirchliche Mitarbeitende im Bistum Münster großes Leid erfahren haben, um Entschuldigung bitten. Auch bitte ich alle Menschen um Entschuldigung, die unter Vertuschungen durch kirchliche Verantwortungsträger des Bistums Münster gelitten haben und zum Teil bis heute darunter leiden. 

Ich kenne die Studie noch nicht. Die Universität hat bewusst entschieden, die Ergebnisse der Studie zunächst Betroffenen und dann gerade bei der Pressekonferenz ausschließlich Medienvertretern vorzustellen. Das halte ich für richtig und auch das ist ein weiterer Ausdruck des völlig unabhängigen Vorgehens der Universität vom Bistum. Ich selbst werde heute Abend die Gelegenheit nutzen, an der öffentlichen Informationsveranstaltung der Universität zu der Studie teilzunehmen. Im Anschluss werde ich sie intensiv lesen. Am kommenden Freitag werde ich mich dazu äußern, welche Maßnahmen ich für das Bistum Münster im weiteren Umgang mit sexuellem Missbrauch auf den Weg bringen werde. Ich werde dann auch erläutern, welche Konsequenzen ich für den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster bereits gezogen habe. 

Dabei leitet mich, das kann ich schon heute sagen, auch ohne die Studie zu kennen, dreierlei:  

  • Es geht um die Betroffenen sexuellen Missbrauchs. Allerdings möchte ich mich davor hüten, Betroffene zu vereinnahmen oder eine Solidarität mit ihnen zu konstruieren, auf die ich kein Anrecht habe. Die Betroffenen sind die Opfer, ich bin Teil der Organisation, aus der die Täter kamen und kommen. Die Betroffenen erwarten völlig zu Recht, dass wir als kirchliche Verantwortungsträger alles tun, um sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung in der Kirche künftig zu verhindern.
  • Es geht weiterhin um eine möglichst umfassende und unabhängige Aufarbeitung der Vergangenheit. Hier sind wir sicher auch mit der Studie der WWU noch nicht am Ende.
  • Es geht um die Übernahme von Verantwortung. Ich übernehme selbstverständlich die Verantwortung für die Fehler, die ich selbst im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht habe. Ich war und bin Teil des kirchlichen Systems, das sexuellen Missbrauch möglich gemacht hat. Das bin ich seit vielen Jahren an verantwortlicher Stelle: als Regens und Weihbischof in Trier, als Bischof von Essen und Münster. Von daher habe ich neben der persönlichen auch eine institutionelle Verantwortung. In dieser doppelten Hinsicht trage ich eine Mitverantwortung für das Leid von Menschen, die sexuell missbraucht wurden.