Seit Tobias Tod fragen sich die Eltern und die drei Geschwister: „Was haben wir übersehen? Warum haben wir nicht gespürt, dass Tobias nicht einfach nur schlecht drauf ist, sondern eine schwere Krankheit hatte?“ Sie hätten zu wenig über Fragen des psychischen Wohlbefindens gewusst. Was mache ich, wenn jemand einige Wochen trübsinnig ist? Wie gehe ich mit jemandem um, der Sachen sagt, die eigentlich nicht stimmen können und sich immer mehr in die eigene Wohnung zurückzieht? „Da hatten wir keine Anleitung, keine Empfehlung“, berichtete Marboe. Rettungsketten wie bei einem Beinbruch seinen in Bezug auf Suizidalität nicht bekannt genug.
Themen wie psychisches Wohlbefinden und Suizidalität sollten mehr Beachtung finden, „damit weniger solche Katastrohen passieren“. Es sei insbesondere auch für Männer wichtig, über Gefühle sprechen zu lernen und „dass wir auch Emotionen als Wahrheit verstehen, als echte Informationen“.
Allgemeine Forderungen nach mehr Kinder- und Jugendpsychiatrieplätzen und Angeboten gegen Einsamkeit für ältere Menschen gehen Marboe nicht weit genug: „Da reden wir immer nur über Sanierung.“ Wichtigstes Ziel sei, an einer Gesellschaft zu arbeiten, in der weniger Menschen psychisch krank werden. Weg von Perfektionismus und Leistungsdruck hin zu einer Gesellschaft, die jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit annimmt. Besuche beim Psychotherapeuten zur seelischen Gesunderhaltung sollten laut Marboe so selbstverständlich sein wie Vorsorgeuntersuchungen beim Gynäkologen oder der Zahnärztin.
An jedem Tag begehen in Deutschland knapp 28 Menschen einen Suizid und schätzungsweise 500 Personen einen Suizidversuch. 2023 haben sich 10.304 Menschen in Deutschland durch Suizid das Leben genommen. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. „Suizid ist also ein Thema, das sehr viele Menschen betrifft. Die, die Suizid begehen, ihre Angehörigen und ihre Freunde – und trotzdem wird darüber mehr geschwiegen als gesprochen“, sagte Diözesancaritasdirektor Dr. Christian Schmitt. „Das wollen wir als Caritas im Bistum Münster nicht.“
Im Rahmen eines palliativen Themenjahres versuche die Caritas deshalb Tabuthemen rund um Tod und Sterben aufzubrechen. Schnitt: „Es ist wichtig, über das Thema Suizidalität offen zu sprechen und zu wissen, wo man Hilfe bekommen kann.“
Hilfsangebote
Die Krisenhilfe Münster erreichen Sie unter der Telefonnummer: 0251 519005, die Traumaambulanz für Kinder unter: 0251 8356440 und die Traumaambulanz für Erwachsene unter: 0251 8351888 oder 8352902.
Text: Caritas im Bistum Münster / Carolin Kronenburg
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.