Vorträge über selbstbestimmtes Sterben im Franz Hitze Haus
Dass der medizinisch-technische Fortschritt auch Schattenseiten und vor allem viele Fragezeichen mit sich bringt, das haben die knapp 120 Besucher der Münsteraner Akademie Franz Hitze Haus erfahren, die am 12. Oktober die Veranstaltung ,Selbstbestimmtes Sterben?
Assistierter Suizid aus philosophischer und moraltheologischer Sicht‘ besuchten.
Der Fortschritt macht es möglich, dass die Menschen heute so alt werden wie keine Generation vor ihnen. Damit verbunden ist die Hoffnung auf eine lange, gesunde und selbstbestimmte letzte Lebensphase.
Gleichzeitig wächst die Angst vor Autonomieverlust und langem Dahinsiechen. Der Ruf nach einem selbstbestimmten Tod wird laut. "Es geht um die Würde des Menschen in seinen letzten Wochen und Stunden", erklärte Dr. Martin Dabrowski von der Akademie vor diesem Hintergrund die Themenwahl, "im November wird der Bundestag über eine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe entscheiden." Das große Interesse an dem Thema zeige, dass es noch "jede Menge Informationsbedarf" gebe.
"Das ist ein ernstes Thema", betonte Professor Dr. Michael Quante zu Beginn seiner Ausführungen "und nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig." Der Philosoph der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) machte sich für das Recht auf Selbstbestimmung stark und erklärte: "Es gibt ein Recht auf frei verantwortlichen Suizid." Vorbedingung sei, dass die Entscheidung rational und informiert getroffen werde. "Jugendliche, die sich aus Liebeskummer das Leben nehmen, oder psychisch Kranke handeln nicht rational", führte der Philosoph aus. Gleichzeitig schließe dieses Recht "einen ethisch beachtenswerten Anspruch auf Unterstützung mit ein", die aber auch aus moralischen Beweggründen abgelehnt werden könne. Ein assistierter Suizid benötige, um ethisch akzeptabel zu sein, geeignete Rahmenbedingungen.
Quante machte sich stark, die getroffene Entscheidung des Menschen zu respektieren. "Wenn jemand den Tod wählt, anstatt sich der Palliativmedizin zu unterwerfen, weil das mit seiner Würde nicht vereinbar ist, dann ist das aus Respekt vor der Selbstachtung des Menschen zu akzeptieren", unterstrich er. Es bedürfe einer rechtlichen Absicherung der Gesamtsituation, die es ermögliche, "sich vertrauensvoll an ihre Ärzte zu wenden. Dies erfordert, dass die organisierte Ärzteschaft ihre Blockadepolitik aufgibt." Den Ärzten gehe es um ihren Standesethos. "Das ist kein Grundgesetz. Es bedarf einer demokratisch kompatiblen Lösung."
Auch Professor Dr. Eberhard Schockenhoff, Moraltheologe von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, sah in der Autonomie des Menschen eine Schlüsselkategorie der momentanen Medizinethik. "Für diese liegt die oberste Richtschnur ärztlichen Handelns nicht mehr in der Selbstverpflichtung des Arztes, das Wohl des Patienten zu achten und im Zweifelsfall dem Leben zu dienen", erklärte Schockenhoff. Diese Maximen seien vielmehr eingebettet in die Richtschnur, die Autonomie des Patienten zu achten.
"Die Forderung nach einem selbstbestimmten Tod erscheint als die letzte Konsequenz des Rechtes auf ein selbstbestimmtes Leben, das wir uns in allen anderen Lebensfeldern selbstverständlich zugestehen", führte Schockenhoff aus. Anders als Quante stellte er aber die Autonomie in Frage, die sich in der Fähigkeit äußern solle, "über den Wert des eigenen Lebens frei von Fremdeinflüssen zu urteilen." Vielmehr hänge das Bild, das ein Mensch von sich selbst gewinne, nicht zuletzt davon ab, wer er in den Augen der anderen sei. "Die Selbstbestimmung kippt in Fremdbestimmung um", meinte Schockenhoff.
Auch sei es ein Irrtum, dass es einen wohlüberlegten, abgeklärten und eindeutigen Sterbewunsch gebe. "Die Beobachtung zeigt, dass Todeswunsch und Lebenswille bei vielen Patienten gleichzeitig auftreten können", erklärte der Moraltheologe, "so dass es für die Annahme, die Äußerung des Sterbewunsches entspringe einer dauerhaften Einstellung oder einem abgeschlossenen Überlegungsprozess, keine ausreichende Basis gibt." Vielmehr sei das Schwanken zwischen beiden Extremen Ausdruck mangelnder palliativmedizinischer Versorgung.
Schockenhoff kam zu dem Schluss, dass "wenn die Inanspruchnahme von Suizidbeihilfe zu einer sozial akzeptierten, von Ärzten oder anerkannten Organisationen unterstützen Option am Lebensende wird, das nicht die Selbstbestimmung Schwerstkranker und Sterbender" stärke. Patienten wollten niemandem zur Last fallen. Sie sähen sich vielmehr dem Druck ihrer Umgebung ausgesetzt, der für alle Seiten untragbar erscheinenden Belastung durch Sterbewunsch und Bitte um Suizidbeihilfe ein Ende zu setzen. Abschließend erklärte er: "Der Angst, in eine unwürdige Pflegesituation zu gelangen, kann auf menschenwürdige Weise nur durch die Zusage bedingungslose und uneingeschränkter Hilfe begegnet werden, die alle Möglichkeiten palliativmedizinischer Versorgung ausschöpft."
Am 16. November veranstaltet die Akademie einen zweiten Abend zum Thema. Unter dem Titel ,Wer stirbt natürlich? Natürlicher Sterbeprozess oder Hightech-Medizin‘ werden zwei Referenten aus medizinethischer und moraltheologischer Perspektive Stellung beziehen. Beginn ist um 18.30h in der Akademie Franz Hitze Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50.
Text: Bischöfliche Pressestelle
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