Weihbischof Lohmann: Gott verrückt die Maßstäbe des Lebens

, Kreisdekanat Recklinghausen

Auf eine lange Tradition blickt die Gemeinde Heilige Familie in Speckhorn zurück: die Emmaus-Messe und das anschließende Osterfeuer am Ostersonntag. 
Erstmals zelebrierte Weihbischof Rolf Lohmann den Gottesdienst mit der Gemeinde.

„Ostern stört! Und wie!“, ließ Lohmann in seiner Predigt aufhorchen. Das sei der Sinn, wenn Gott durch das Leben der Menschen stürme und alles anders werde. Vielleicht nicht auf den ersten Blick – aber mindestens auf den zweiten. „In der Auferstehung Jesu verliert alles, was der Mensch an Vorstellung vom Leben bis dahin mitgebracht hat, seine Bedeutung. Die Dimensionen des Lebens haben sich erweitert. Das erfordert viel Neues – Kopf und Herz müssen neu erfinden“, sagte der für die Region zuständige Weihbischof. Gott verrücke in der Auferstehung seines Sohnes die Maßstäbe des Lebens. 
Die Verkündigung der Ostertage mache deutlich, dass Gott die Menschen an ihre Grenzen und immer auch ein Stücken darüber hinaus bringe. „Er weicht nie von ihrer Seite. In der Auferstehung des Gottessohnes wird alles Dagewesene schließlich übertroffen. Den Tod hat noch niemand hinter sich gelassen“, predigte Lohmann.

Dieses Heilshandeln Gottes sei zugleich ein Geschenk und auch eine Herausforderung. Gott biete in der Auferstehung Jesu die Erneuerung seines Bundes in einer qualitativ einzigartigen Weise an: „Leben sollen wir haben über den Tod hinaus.“ Damit setze er neue Maßstäbe für das Leben. „Wir können uns nicht selbst erlösen, aber das müssen wir auch nicht – Gott tut das schon. Aber nach seinen Maßstäben, nicht nach unseren. Das ist auch ein wesentlicher Aspekt für die Dringlichkeit der Reformen unserer Kirche, die wir so sehr brauchen. Die Maßstäbe dafür sind seine, sein Evangelium vom Leben und der Lebensfülle, seine Botschaft von der Vergebung, der Liebe und des Friedens“, verdeutlichte Lohmann. Dies sei die Botschaft von Ostern, die sowohl im kirchlichen als auch im gesellschaftlichen Leben dringend gebraucht werde, um Erneuerung, Neu-Werden möglich werden zu lassen. 

Weihbischof Rolf Lohmann

Ostern störe das Leben in den routinierten Bahnen, von denen die Menschen glaubten, es gäbe nur diese und sie hätten sie im Griff. Ostern mache auch deutlich, dass das Leben ganz anders gedacht, erlebt und erfahren werde, als es in den Vorstellungen passiere. „Bei allen Sicherheiten gibt es eben auch das Unberechenbare, das Unmögliche, das in den Händen Gottes liegt. Wir dürfen loslassen, woran wir uns stets ängstlich klammern, weil wir uns eh ja nicht selber halten können“, sagte der Weihbischof. 

In den Texten der Verkündigung am Osterfest sei immer wieder die Rede von Menschen, die aus ihren Lebensbahnen herausgerissen wurden. So wie auch die beiden Männer auf dem Weg nach Emmaus, die der Auferstandene vom geplanten Weg abbringe. „Sie alle zeigen uns, wie heilbringend und lebensstiftend es sein kann, sich von diesem Gott unseres Lebens stören zu lassen. Lassen auch wir uns anrühren, wachrütteln, von gewohnten Wegen abbringen – lassen wir uns verstören“, rief Lohmann die Anwesenden auf.

Nach dem Gottesdienst entzündeten Mitglieder der katholischen Landjugendbewegung traditionell das große Osterfeuer auf dem Hof Wessels mit dem Licht der Osterkerze. 

Michaela Kiepe