Nach wie vor mache die Corona-Pandemie deutlich, wie wichtig das Atmen sei, sagte Lohmann und bezog sich dabei auf das diesjährige Wallfahrtsmotto „Atme in uns, Heiliger Geist“. Die Situation weltweit, im Augenblick besonders stark in Indien, „führt uns in erschreckender Weise vor Augen, was das für verheerende Folgen hat, wenn der Sauerstoff ausbleibt“, sagte Lohmann. „Sichtbar wird das auch im Blick auf unser Klima und den Wandel, wenn wir den CO-2-Ausstoß nicht drastisch verringern. Wenn es hier keinen Wandel gibt – wie er ja sogar vom Bundesverfassungsgericht eingefordert wird – wird es mit dem Lebens-atem in der Schöpfung Gottes immer problematischer. Wir brauchen die Luft zum Atmen so nötig.“
Die christliche Atemluft, schlug Lohmann den Bogen zur Situation der Kirche, hänge im Wesentlichen vom Wirken des Geistes Gottes ab. „Unsere Kirche braucht neue Atemluft, sie braucht – wie wir alle – Luft zum Atmen und damit Gottes Heiligen Geist, der sie neu machen will und kann“, erklärte er. Dabei helfe das Evangelium. Doch „wenn wir Angst haben vor dem Neuen, dann wird es schwierig, im Sinne Gottes den eigenen Weg weiterzugehen, weil Angst immer ein schlechter Ratgeber ist“, führte er weiter aus. „Neu und anders“ habe nichts mit Anpassung an den Zeitgeist zu tun, wie es der Kirche derzeit immer wieder vorgeworfen werde.
Für das „christliche Atmen“ sei das Gebet, „dieser Atemstrom Gottes“, von höchster Bedeutung, erklärte der Weihbischof. „Wie viele Menschen haben mir in dieser schweren Zeit der Pandemie immer wieder gesagt, wie viel Kraft und Segen vom Gebet ausgehen? Und wie stark spüren wir das, die wir als Christinnen und Christen unseren Glaubensweg weitergehen wollen – trotz aller Widerfahrnisse aus dem Bereich von Kirche und Welt. Wir haben erlebt, was Unglaubwürdigkeit, Vertuschung im Zusammenhang mit dem Missbrauch bedeuten, wie viele Menschen gedemütigt worden sind. Und wir erleben, wie zermürbend es sein kann, wenn ausstehende und längst überfällige Reformen nicht voran kommen. Auch hier ist das Gebet enorm wichtig. Die Reformen müssen kommen, das ist für mich keine Frage. Aber das Ringen darum – gerade auch im Gebet – wird entscheidend sein.“
Er sei, führte Lohmann weiter aus, überzeugt davon, dass Gottes Geist neue Perspektiven eröffnen und weiterführende Orientierung geben kann. Er bekräftigte: „Dann müssen wir aber auch bereit sein, uns dem Neuen zu stellen. Eine Kirche, wie ich sie noch erlebt habe, wie wir sie vielleicht noch aus den 1970er- und 1980er-Jahren kennen, wird es nicht wieder geben.“ Der Atem Gottes könne dabei helfen, „neu und anders zu denken und auch Kirche und Gemeinde neu zu definieren“.
Dazu werde die Expertise aller gebraucht, forderte der Weihbischof, und „nicht nur der kleinen Schar, die ja schon vor Corona das Bild in vielen Kirchen ausgezeichnet hat. Ich wünsche mir, dass wir den Rat aller Generationen suchen, vor allem auch der jungen Menschen und derjenigen, die sich von der Kirche abgewandt haben. Ich würde gerne von allen hören, wie sie sich christliches Leben denken und wie wir es gemeinsam weiterentwickeln können – im Sinne des Evangeliums, der guten Botschaft Jesu, die uns in schwierigen Situationen neu aufhelfen kann. Das heißt: Wir brauchen das Gebet, wir brauchen das Gespräch und den Austausch und wir brauchen eine Neuausrichtung von Gott her.“
Christian Breuer