Weihnachtsgeschichte ereignet sich nicht in einer Phantasie-Welt

, Kreisdekanat Kleve, Kreisdekanat Recklinghausen, Kreisdekanat Wesel

Die Geschichte von Maria und Josef, die auf der Suche nach einer Bleibe auf verschlossene Türen und auf verschlossene Herzen treffen und ihr Kind in Armut zu Welt bringen sei zunächst „nichts Besonderes“, sagte Weihbischof Rolf Lohmann, Regionalbischof für den Niederrhein und den Kreis Recklinghausen am 1. Weihnachtstag im Xantener Dom. „Wir alle kennen Menschen, die gefühllos sind gegenüber einer schwangeren Frau und dem werdenden Leben. Wir wissen um die Diktatoren, die sich ein Weltreich aufbauen wollen und dabei über Leichen schreiten. Es gibt Menschen, die anderen die Türe zu schlagen, die andere an den Rand drängen“, sagte er.

Porträt von Weihbischof Rolf Lohmann

Weihbischof Rolf Lohmann feierte die Weihnachtsmesse im Xantener Dom.

© Bistum Münster

Es sei keine „Phantasie-Welt“, in der sich die Weihnachtsgeschichte ereignet, „hier lesen wir von unserer Welt. Auch unserer eigenen kleinen Welt“, erklärte Lohmann. Die Hirten, die am Rande der Gesellschaft stehen, treffe „mitten hinein in ihre Alltäglichkeit“ die Botschaft, dass ein Heiland da ist, der „unsere Lebenssituation heil machen kann“. Auch er sehne sich, sagte der Weihbischof, „nach jemandem, der aus den vielen Teilen meines Lebenspuzzles ein Ganzes macht und der meine Verwundungen heilt.“ Besonders denke er an kranke Menschen und deren Angehörige, an Eheleute, die es schwer miteinander haben, an Menschen, die Sorgen am Arbeitsplatz haben, an Hungernde, Ausgebeutete, Gestrauchelte – und an die Menschen im Heiligen Land, in Palästina, im Gaza-Streifen, in der Ukraine, wo der Krieg kein Ende nehmen woll3 und die Situation oft ausweglos erscheine.

Die Sehnsucht nach einem Heiland habe die Hirten ebenso nach Betlehem geführt wie die Weisen aus dem Morgenland, die dem Stern folgen. Der Weihbischof erklärte: „Ein Stern, der so ungewöhnlich war, dass er die Geburt eines Herrschers ankündigte. Aber reicht so etwas zum Aufbruch? Wenn ich das Leben vieler ansehe und wahrnehme, was sie beherrscht, unter welchen Zwängen und Ängsten sie leben, welche Diktatoren sich ihrer Seele bemächtigt haben, dann kann ich mir schon vorstellen, dass die Sehnsucht nach einem guten König die Menschen auf Trapp bringt. Die Diktatoren von heute haben bekannte Namen: Erfolg, Karriere, Profit, Ansehen, jung und fit bleiben um jeden Preis. Sie beherrschen uns, diktieren unseren Alltag, entfremden uns oft von den Sorgen der Menschen in unserer Umgebung.“

Vor der Krippe versammelten sich die Hirten ebenso wie die Weisen. „Wer anbetend vor der Krippe verharrt, für den verändert sich die Welt, verschieben sich die Koordinaten seines Wertesystems, ordnen sich neu die Prioritäten. Und genau das muss für die Kirche insgesamt gelten, sich neu aufzustellen, neu im Sinne des Jesus von Nazareth. Deswegen der synodale Weg, jetzt der synodale Rat und auch die Weltsynode in Rom“, betonte Lohmann. Er erinnerte an die Aussendungsfeier für das Friedenslicht im Xantener Dom. „1000 junge Menschen verharrten hier im Dom im Gebet, in Schweigen und Stille vor diesem großen Geheimnis unseres Glaubens, um das Friedenslicht von Bethlehem entgegenzunehmen und zu verteilen. So wird auch diese heilige Feier heute zu einer großen Einladung an uns alle: es nicht nur den Hirten und den Weisen darin gleich zu tun, dass wir uns wie sie von unserer Sehnsucht zur Krippe führen lassen, sondern auch, indem wir anbetend vor diesem Kind verharren.“ Das Kind in der Krippe anzubeten und zu umarmen bedeute auch jene zu umarmen, mit denen es sich solidarisch gezeigt hat, „mit allen denen, für die kein Platz ist, damals in Bethlehem und heute bei uns in dieser globalisierten, unterkühlten Welt.“

Zum Abschluss seiner Predigt zitierte der Weihbischof den Theologen Thomas Halik: „Das Weihnachtsevangelium ist keine Idylle für eine sentimentale, süßliche Frömmigkeit, kein Dessert nach einem opulenten Weihnachtsmahl, sondern eine aufrüttelnde Aussage über den fortdauernden Egoismus in der Welt, an deren Tür Maria und Josef vergebens anklopfen. Das wahre Christentum ist keine erstarrte religiöse Ideologie, kein System von Ritualen und Bräuchen, Vorschriften und Verboten. Es ist das Abenteuer der Suche nach dem lebendigen Christus in unsere Zeit, in unserer Welt, in unserer Gesellschaft.“

Christian Breuer