Aus Sicht von Weihbischof Zekorn stehen Deutschland und Europa vor Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gesellschaft auf Dauer zusammenzuhalten. „Starke Emotionen stehen der komplexen Realität gegenüber“, nannte er ein Beispiel und verdeutlichte dies am Klimawandel. „Wir müssen uns radikal gegen den Klimawandel einsetzen, aber das ist eine schwierige, komplex zu verhandelnde Geschichte. Viele Menschen erwarten aber von der Politik, dass es bis Herbst eine Lösung für die Zeit bis 2050 gibt“, sagte Zekorn.
Darüber hinaus beobachte er eine Europa-Skepsis – besonders in der jüngeren Bevölkerung. „Europa ist das größte Friedens- und Kulturprojekt seit dem römischen Reich. Das müssen wir den jungen Menschen wieder vor Augen führen“, sagte er. Zuletzt sprach er sich für eine europäische Öffentlichkeit aus, „damit nationale Probleme die EU-Politik nicht in dem Maße bestimmen, wie es aktuell der Fall ist“. Der Weihbischof plädierte außerdem dafür, gemeinsame Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie stärker zu leben und zu exportieren. „Wir können dankbar sein, in einer europäischen Gesellschaft zu leben, die in weiten Teilen davon geprägt ist. Das müssen wir bewahren und fortsetzen“, ermutigte er.
„Ich bin überzeugter Europäer“, stellte Richenhagen klar. Europa werde eine großartige Zukunft haben. Die Unruhe halte er für ein gutes Zeichen: „Es ist ein Zeichen dafür, dass die Bürger mündiger geworden sind“, erklärte er. Doch der Unternehmer übte auch Kritik: „Wir müssen uns in Europa schneller bewegen. Dafür muss auch Deutschland seine Hausaufgaben machen.“ Richenhagen ermutigte dazu, die historische Chance zu ergreifen und ein Europa zu entwickeln, das – ähnlich den USA – zu den Vereinigten Staaten von Europa werden könne. Dafür müssten sich Vertreter von Politik, Kirchen und Wirtschaft zusammensetzen und sich zu ethischen Grundsätzen bekennen.
Der gebürtige Kölner, der in Amerika lebt, ging auch auf Präsident Donald Trump ein: „Er ist für mich wie ein Antiallergikum“, sagte Richenhagen über Trumps ständiges Hin und Her. „Ich rege mich nicht mehr hundert Mal am Tag auf.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen lobte er: Die Flüchtlingsthematik habe zwar zu einer Destabilisierung geführt, jedoch habe Merkel „genau das Richtige“ gesagt. „Wir sind einmal das Land gewesen, das großzügig die Türen geöffnet und gesagt hat: Kommt her, wir helfen euch. Das ist anerkennenswert“, würdigte Richenhagen. Das Flüchtlingsproblem aber müsse nicht in Europa, sondern in den Heimatländern der Flüchtlinge gelöst werden. Anhand seiner eigenen Firma gab er ein Beispiel, wie die Wirtschaft dazu beitragen kann. So habe AGCO eine sogenannte Future Farm in Sambia gegründet, wo Landwirte, die kleine bis mittelgroße Betriebe mit eingeschränktem Zugang zu modernen landwirtschaftlichen Methoden bewirtschaften, Grundlagen der Agronomie, Nacherntelösungen und Mechanisierung erhalten. „Afrika hat im Landmaschinensektor ein enormes Wachstumspotenzial, und für den afrikanischen Kontinent haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, allen Landwirten Lösungskonzepte für ihre Arbeit zu bieten“, betonte der Manager.
Für Elmar Brok ist Europa „eine riesige Erfolgsstory“. Vieles sei in den vergangenen 30 Jahren in Europa erreicht worden, unter anderem ein gemeinsamer Binnenmarkt, der „die größte Handelsmacht der Welt“ sei. „Aus Freckenhorst können heute so leicht Waren nach Paris geliefert werden wie früher nach Telgte“, gab er ein Beispiel. Die Kosten für den Binnenmarkt würden außerdem regelmäßig überschätzt: „Die Europäische Union kostet uns insgesamt ein Viertel von dem, was uns die Bundeswehr kostet“, verglich der Politiker.
Dennoch müsse Europa die zu Beginn gesetzten Aufgaben erfüllen. Gemeinsam müsse sich die EU in der Welt behaupten: „Die Fragen zu Migration, Klimawandel, Konsequenzen von Globalisierung und Digitalisierung kann nicht mehr der einzelne Nationalstaat lösen.“ Konkret forderte Brok unter anderem eine neue europäische Steuerpolitik. Für den früheren EU-Abgeordneten steht fest, dass es in der Europäischen Union immer stärkere und schwächere Regionen geben werde. „Doch diese Unterschiede müssen wir in einer Gemeinschaft mittragen. Wir müssen begreifen, dass wir eine Schicksalsgemeinschaft sind.“ Auf die Frage, wo er die EU in zehn Jahren sieht, antwortete Brok schnell: „Die Vernunft wird siegen, Europa wird bestehen bleiben. Und Großbritannien wird einen Antrag gestellt haben, wieder Mitglied werden zu dürfen.“
Ann-Christin Ladermann