„Woche für das Leben“: Suche nach Hilfe und Hoffnung

, Kreisdekanat Steinfurt

Manchmal hat sie sich allein gefühlt. Die soziale Isolation während der Corona-Pandemie war für Melis Öztürk die größte Herausforderung: kein Treffen mit Freundinnen und Freunden, Online-Unterricht, Shoppen nur im Supermarkt. „Ich hatte schon Angst, meine Jugend zu verpassen“, gibt Melis Öztürk offen zu. Die 17-Jährige besucht die Oberstufe des Bischöflichen Arnold-Janssen-Gymnasiums (AJG) in St. Arnold – und gehört wie Mitschülerin Klara Yeung (14 Jahre) zur sogenannten „Generation Z“, der sich bis zum 29. April die ökumenische „Woche für das Leben“ widmet.

Zwei junge Frauen und ihr Lehrer am AJG

Für Melis Öztürk (Mitte) und Klara Yeung war die Corona-Pandemie eine Herausforderung – wie für viele weitere Schülerinnen und Schüler am Arnold-Janssen-Gymnasium, wie Schulseelsorger Michael Diercks weiß.

© Bistum Münster

Bei dieser jährlichen ökumenischen Initiative der Kirchen für Schutz und Würde des menschlichen Lebens geht es diesmal um die psychischen Belastungen der 15- bis 30-Jährigen, die Corona, Klimawandel und Krieg verschärft haben. Zukunftsängste führen zu krisenhaften Situationen, aus denen viele allein keinen Ausweg finden. Das weiß auch AJG-Schulseelsorger Michael Diercks. Immer mehr Schülerinnen und Schüler kommen zu ihm und seinen beiden Kolleginnen – und suchen Hilfe und Hoffnung. 

Sinnsuche zwischen Angst und Perspektive – das Motto der „Woche für das Leben“ begleitet Melis Öztürk und Klara Yeung unbewusst in ihrem Alltag. Die Jüngere von beiden war zu Beginn der Corona-Pandemie erst im zweiten Jahr auf dem AJG. Statt sich weiter einzuleben, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler besser kennenzulernen, saß sie zu Hause in ihrem Zimmer und lernte: „Ich bin morgens wie gewohnt aufgestanden und habe mich nach dem Frühstück an den Schreibtisch gesetzt.“ Die Tagesstruktur habe ihr geholfen, sagt Klara Yeung rückblickend. Und auch die vielen Telefonate mit ihren Freunden: „Das haben wir vorher nicht so gemacht.“

Auch Melis Öztürk erinnert sich: Erst habe sie sich über die Freiheit vom Unterricht gefreut, doch schon nach kurzer Zeit habe sie die Schule vermisst. Geholfen habe ihr in dieser Situation eine positive Lebenseinstellung: „Ich bin ein fröhlicher Mensch“, sagt die junge Frau und lacht. Nicht zu vergessen, die vielen Spaziergänge mit ihren Freunden: „Laufen und dabei quatschen, das hat gutgetan – und war an manchen Tagen ein echter Lichtblick.“

Krisen und Katastrophen sieht sie als Aufgabe. Wie beispielsweise das schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien. Von der Not betroffen war auch Melis‘ Familie, die in Hatay lebt, im Osten der Türkei nahe der syrischen Grenze. Die AJG-lerin startete spontan eine Spendenaktion. In der Schulkonferenz stellte sie ihre Idee vor und bekam sofort die Unterstützung der Schulleitung, des Lehrerkollegiums, der Mitschüler und Eltern. „Eine tolle Sache“, ist sie ein klein wenig stolz auf die gesammelten 2200 Euro. Das Geld leitete sie direkt an eine Hilfsorganisation in Hatay weiter.

Zu erfahren, dass sie Gutes bewirken können und dass die Schule eine Gemeinschaft ist, die zusammenhält, macht Melis Öztürk und auch Klara Yeung Mut: „Gemeinsam ist man stärker.“ Das gespendete Geld sei dabei das eine, fügt Schulseelsorger Diercks an. Genauso wichtig sei das erlebte Wir-Gefühl, das wiederum das Selbstbewusstsein der Jugendlichen stärkt. Genau daran fehle es den Schülerinnen und Schülern immer öfter. „Viele haben einen negativen Blick auf sich selbst“, berichtet der Schulseelsorger, ohne Details aus den vertraulichen Gesprächen zu nennen. „Wir versuchen, ihnen klarzumachen, was sie alles geschafft haben und was sie alles können.“ Dabei wenden er und seine Kolleginnen therapeutische Methoden an.

Oft hat der Schulseelsorger drei, vier Beratungen am Tag. Meistens kommen Schülerinnen, oft regelmäßig über Wochen. Anders war es während der Pandemie, als kein Präsenzunterricht stattfinden durfte: „Ich war trotzdem den ganzen Tag in der Schule – und meist waren es die Jungen, die jemanden zum Reden brauchten.“

Die scheinbare Perspektivlosigkeit macht der „Generation Z“ zu schaffen, stellt der Schulseelsorger immer wieder fest. Viele seien resigniert, hätten wenig Hoffnung. Und selbst in der Gruppe fühlten sie sich einsam. Michael Diercks und seine Kolleginnen versuchen zu helfen. Wenn sie nicht mehr weiterwissen, nehmen sie Kontakt zu anderen professionellen Beratungsangeboten auf. Niemand werde allein gelassen.

Wie wertvoll Zeit mit Freunden und der Familie ist, wissen Melis Öztürk und Klara Yeung nach der Pandemie noch besser. Deshalb genießen sie diese Momente. Melis Öztürk und ihre Freunde lassen ihre Handys bei gemeinsamen Treffen in der Tasche: „Oder wir bauen einen Handystapel, um sichtbar zu machen, dass wir gerade uns haben.“

Gudrun Niewöhner