Auch wenn er wenige Jahre nach dem Abitur Steinfurt fürs Studium Richtung Berlin verlassen hat, Kontakt in die alte Heimat pflegt Schmiese bis heute. Steinfurt habe ihn fürs Leben geprägt, betonte der 55-Jährige. Konkreter: „Die Menschen hier waren eher konservativ, aber mit einer liberalen Grundhaltung.“ Womit er meint, man habe gewusst, was sich gehört – und was nicht mehr. Verantwortlich für eine solche Haltung sind aus Schmieses Sicht auch die Religionen: „Sie geben uns – richtig verstanden – die Grundregeln fürs Zusammenleben vor.“
Das beträfe auch die Politik. Streiten wie die Kesselflicker sei notwendig, aber ebenso das Finden von Kompromissen: „Das macht unsere Demokratie aus.“ Ebenso müsse es möglich und dürfe nicht verwerflich sein, wenn politische Gruppen nach kontroversen Debatten beispielsweise ein Bier zusammen trinken: „Nein, genau das ist gut so.“
Wie Wut und Zorn in beleidigender Weise besonders in den Sozialen Netzwerken kursieren, hat Schmiese, der in Borghorst sein Abitur gemacht hat, selbst erfahren, nachdem er 2009 Hauptmoderator des ZDF-Morgenmagazins geworden war: „Ich habe meinen Namen gegoogelt und war erschrocken über die Kritik.“ Früher, so seine These, habe man seinen Unmut in den eigenen vier Wänden kundgetan, „heute schleudert man es übers Internet in die Welt“. Inzwischen, gestand der Journalist, könne er mit dieser Form der Kritik gelassener umgehen: „Grund für einen solchen Post ist oftmals persönlicher Frust.“
Reidegelds Sorge, dass die Gesellschaft durch eine stärker werdende Ökonomisierung immer weiter auseinanderdriften könnte, wollte Schmiese nicht ganz so stehenlassen. Es gebe viele Beispiele für einen guten Zusammenhalt – und nannte die große Unterstützung für die Menschen in und aus der Ukraine. Und er sieht eine ebenso große Bereitschaft, im Kampf gegen den russischen Machthaber Putin selbst Verzicht zu üben. „Wenn das Benzin teuer ist, dann fahren wir halt weniger mit dem Auto und wenn das Gas knapp ist, ziehen wir einen Pullover mehr an.“ Der „heute journal“-Redaktionsleiter zeigte sich zuversichtlich: „Unser Land ist vernünftig, die Deutschen wollen kein Chaos.“ Auch wenn sich manches ändere und nichts bleibe, wie es ist: „Die Deutschen werden das hinkriegen, sie werden sich an neue Situationen gewöhnen.“
Für ganz andere Töne zwischendurch sorgten an diesem Abend Volker Leiß und Hans-Ralf Waterkamp.
Gudrun Niewöhner