„Geistlicher Missbrauch geht sexuellem Missbrauch oft voraus“

, Bistum Münster

Erstmals hat sich eine Fachtagung von drei bischöflichen Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Thema „Zum Umgang mit geistlichem Missbrauch“ auseinandergesetzt. Bei der internen Zusammenkunft in Mainz berieten sich am 31. Oktober die Pastoralkommission, die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste sowie die Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Weitere Teilnehmer kamen aus dem Bereich der Orden und der „Konferenz der bischöflich Beauftragten für die Kirchlichen Bewegungen und neuen Geistlichen Gemeinschaften“. Mit dabei war als Vorsitzender der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste auch Münsters Bischof Dr. Felix Genn.

 

Bschof Dr. Felix Genn


Bischof Dr. Felix Genn forderte bei einer Fachtagung von drei bischöflichen Kommissionen eine stärkere Aufmerksamkeit für das Phänomen des geistlichen Missbrauchs.

© Bistum Münster

Er hob in seinem Beitrag hervor, dass im Zusammenhang mit den Diskussionen um den sexuellen Missbrauch in der Kirche Bischöfe und die Arbeitsgruppe „Kirchliche Bewegungen und neue geistliche Gemeinschaften“ auf das Phänomen des geistlichen Missbrauchs aufmerksam geworden seien. „Allzu oft, so die Befürchtung, geht psychischer und geistlicher Missbrauch dem sexuellen Missbrauch voraus. Opfer sexuellen Missbrauchs werden durch eine falsche geistliche Begleitung in Abhängigkeiten gebracht und gefügig gemacht“, sagte Bischof Genn.

Mit der Fachtagung werde ein Schritt zur Beschreibung der Problematik und der theologisch-spirituellen Beurteilung gemacht, von dem zunehmend mehr Betroffene berichteten. „Indem wir Bischöfe das Phänomen des geistlichen Missbrauchs aufgreifen, signalisieren wir unsere Bereitschaft, unser seelsorgliches Handeln jederzeit neu an der Norm des Handelns Jesu Christi auszurichten. Seelsorge und geistliche Begleitung, die nicht zur Freiheit und zum Selbstbewusstsein der Kinder Gottes beitragen, können kein Handeln im Geiste Jesu sein“, betonte Genn. Ihm sei es wichtig darauf hinzuwiesen, dass es geistlichen Missbrauch in der Form gebe, „dem anderen meine Entscheidung, die ich bei ihm für richtig halte, aufzuzwingen, statt ihm die Freiheit zu lassen. Eine Neuorientierung vor allem der Seelsorge, in der es ums Ganze geht, nämlich um das Verhältnis von Menschen zu Gott, muss auch bedeuten, mit Formen des Missbrauchs umzugehen und Maßnahmen zu ergreifen, sie möglichst zu beseitigen – auch wenn es schmerzliche Eingriffe erforderlich macht.“

Die Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, Schwester Katharina Kluitmann OSF aus Lüdunghausen, erläuterte die Gefahr geistlichen Missbrauchs aus psychologischer Sicht. Sie skizzierte mögliche Schritte aus der Abhängigkeit heraus. Dabei gehe es um das aufmerksame Wahrnehmen und Reden, aber auch den Mut, sich bei Missbrauch an kirchliche Autoritäten zu wenden. „Wir brauchen eine Kultur, die Menschen hilft, einen behutsamen Neuanfang zu wagen. Dazu muss – psychologisch gesprochen – eine Spannung reifen lernen, die sich gegen die Überbewertung des Ideals ausspricht auf Kosten menschlicher Realitäten und Bedürfnisse“, forderte Schwester Katharina.

Ansprechpersonen bei Fällen geistlichen Missbrauchs sind im Bistum Münster unter https://www.bistum-muenster.de/startseite_rat_hilfe/ansprechpersonen_bei_faellen_geistlichen_missbrauchs/ zu finden.

Text: DBK