
Bischof Dr. Felix Genn
© Bischöfliche PressestelleBischof Genn hatte bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung der Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Münster im Juni 2022 angekündigt, dass er sich den Urteilen einer unabhängigen Kontrollinstanz unterwerfen und so Macht abgeben möchte. Denn, so betonte der Bischof damals und auch nun wieder im Diözesanrat, sexueller Missbrauch sei immer auch mit dem Missbrauch von Macht verbunden. Die Ordnung für den Schlichtungsrat und die Disziplinarordnung wurden erarbeitet von Prof. Dr. Thomas Schüller und von Dr. Thomas Neumann, Kirchenrechtler an der Theologischen Fakultät der Universität Münster.
Mit der Einrichtung des Schlichtungsrats erklärt sich Bischof Genn bereit, wie es in der Präambel der Ordnung betont wird, „alle Streitigkeiten, die sich in der Diözese ergeben, gemäß den Regeln und Verfahren dieser Ordnung einem Schlichtungsverfahren zu unterwerfen“. Weiter wird unterstrichen, dass es das Ziel sein müsse, „die kirchliche Ordnung vor Missbrauch zu schützen“. „Die Ausübung von Autorität und Vollmacht in der Kirche darf nicht willkürlich sein“, heißt es in der Präambel. Geregelte Verfahren wie eine Schlichtung seien dabei ein wichtiges Mittel „gegen die Willkür und den Missbrauch von Macht“.
Als Beispiele für Verwaltungsakte, die Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens werden können, werden in der Ordnung Ernennungen, Versetzungen oder Amtsenthebungen insbesondere von Klerikern ebenso genannt wie die Errichtung, Veränderung, Auflösung oder Aufhebung kirchlicher Rechtsträger oder auch Erlasse zu kirchlichen Immobilien. Auch Dekrete, durch die einer Person ein Tun oder Unterlassen auferlegt wird, können Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens werden.
Das Schlichtungsverfahren, so heißt es in der Ordnung, basiert auf dem freien Willen beider Streitparteien, sich dem Schlichtungsspruch zu unterwerfen. Ziel des Schlichtungsverfahrens ist es, den Streit durch eine unparteiische dritte Instanz zu lösen. Diese Instanz ist der Schlichtungsrat, der aus sieben Schlichterinnen und Schlichtern besteht, die vom Bischof, vom Priesterrat und vom Diözesanrat nominiert werden und die Befähigung zum kirchlichen oder staatlichen Richteramt haben müssen. Jede Person ist berechtigt, ein Schlichtungsverfahren zu beantragen. In einer Schlichtungsvereinbarung verpflichten sich beide Parteien freiwillig dazu, den Streit vor eine Schlichtungskammer zu bringen. Im Schlichtungsverfahren werden beide Parteien angehört, und spätestens 30 Tage nach der letzten Anhörung fällt die Schlichtungskammer, die aus drei Schlichterinnen bzw. Schlichtern der Schlichtungskommission besteht, ihren Schlichtungsspruch. Nimmt eine der beiden Parteien diesen nicht an, gilt das Schlichtungsverfahren als gescheitert.
Neben der Ordnung des Schlichtungsrates gibt es im Bistum Münster nun auch eine Disziplinarordnung für Kleriker. Durch sie sollen Handlungen und Unterlassungen geahndet werden, „die einer vom kirchlichen Gesetz bestimmten Dienst- und Amtspflicht widersprechen“. Beispiele für Disziplinarverfahren, die in der Ordnung genannt werden, sind insbesondere die Verletzung der Privatsphäre anderer Menschen, der Bruch des Seelsorgegeheimnisses oder der Missbrauch seelsorglicher Beziehungen zum eigenen Vorteil. Auch kirchenfeindliche Betätigungen oder ein Verhalten, das „ungerechtfertigt die sexuelle Selbstbestimmung anderer Personen einschränkt“, werden von der Disziplinarordnung erfasst. Wenn Kleriker Disziplinarvergehen begehen, können unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen folgen: Diese reichen von der Mahnung, über eine Geldbuße oder eine Minderung der Besoldung bis zu einer befristeten Suspendierung oder Amtsenthebung entsprechend der Bestimmungen des Kirchenrechts. Welche Maßnahme ergriffen wird, wird in einem Disziplinarverfahren entschieden, wobei bei schweren Disziplinarvergehen eine Disziplinarkommission unter Vorsitz des Generalvikars anzurufen ist.
Für Prof. Schüller und Dr. Neumann sind beide Ordnungen „ein mutiger und notwendiger Schritt des Bischofs von Münster“. Der Bischof löse so die Forderung aus der Studie zum sexuellen Missbrauch durch Kleriker ein, „klerikale Machtstrukturen zu überdenken und handfeste rechtliche Konsequenzen auf diese Überlegungen folgen zu lassen“. Die Disziplinarordnung für Kleriker schließe dabei eine empfindliche Lücke für die Fälle, in denen ein grenzüberschreitendes sexuell motiviertes Verhalten eines Klerikers nach staatlichem wie kirchlichem Recht zwar nicht strafrechtlich geahndet werden, wohl aber nun disziplinarrechtlich verfolgt werden kann. Mit dieser Ordnung betrete Bischof Genn „weltkirchlich Neuland“. „Es gibt in keiner Diözese weltweit ein solches geregeltes Verfahren, obwohl es von der kanonistischen Fachwelt und Vertretern der Römischen Kurie seit Jahrzehnten gefordert wird“, unterstreichen Schüller und Neumann. Die Verletzung von Dienstpflichten könne nun geordnet geahndet werden, so wie es auch das deutsche Recht für Beamteninnen und Beamten kennt.
Und die Schlichtungsordnung eröffne erstmals die Möglichkeit, im Blick auf Verwaltungsakte ein geregeltes Verfahren in der Diözese selbst zu führen. Die Schlichterinnen und Schlichter sind dabei unabhängig. Die Schlichtungsordnung, das betonen die beiden Kirchenrechtler, umfasse daher eine Vielzahl von Verwaltungsakten, die nun in einem freiwilligen, außergerichtlichen Verfahren, dem die beiden Parteien zustimmen müssen, in einem Schlichtungsverfahren einer möglichst konsensualen Lösung zugeführt werden können. Diese Ordnung sei auch deshalb wichtig, weil gerade die vielen Verwaltungsentscheidungen kirchlicher Behörden nicht selten Anlass für Unzufriedenheit und Ärger seien.
Dr. Stephan Kronenburg