Interview zum Statut „Leitung im Pastoralen Raum“

Sicher gibt es nach der Veröffentlichung des Statutes Fragen. Einige davon beantworten in diesem Interview Matthias Mamot, Personaldezernent für das Seelsorge-Personal, und Martin Schroer, Leiter des Referates Kirchenentwicklung, die beide auch im Kompetenzteam „Pastorale Leitungsformen“ mitarbeiten:

Von links: Martin Schroer und Matthias Mamot

© Bischöfliche Pressestelle/Gudrun Niewöhner

Das Statut für die Leitung im Pastoralen Raum benennt die Akteure und deren Aufgaben. Leitung benötigt Strukturen und Verbindlichkeit, gleichzeitig braucht es aber auch Möglichkeiten, eigene Impulse zu setzen. Wie schafft das neue Statut diesen Spagat? Und wodurch räumt es den Akteuren vor Ort Freiräume ein, die Entwicklung der Pastoralen Räume fortzuschreiben?

Matthias Mamot: Zunächst ist es für das Verständnis des Miteinanders im Pastoralen Raum wichtig zu betonen, dass dieser nichts von der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Pfarreien, Gemeinden, Einrichtungen, Verbände, Gruppen und Gremien (weg-)nimmt. Gleichzeitig gibt der Pastorale Raum den Rahmen vor, um Kooperationen überall dort zu suchen und einzugehen, wo diese es nicht (mehr) aus sich allein heraus schaffen, ein pastorales Angebot aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Bedingungen in der Fläche unseres Bistums sehr verschieden und ungleichzeitig sind, so wird vor Ort immer öfter spürbar, dass die Zahl der Engagierten und auch die vorhandenen Mittel nicht mehr ausreichen, um die gesamte Bandbreite des pastoralen Handelns allein und überall zu gewährleisten. Miteinander wird es auf der Ebene des Pastoralen Raumes leichter fallen, Kräfte zu bündeln, Schwerpunkte zu setzen, aber auch Abschied zu nehmen von dem, was nicht mehr erhalten werden kann. 

Martin Schroer: Wir als katholische Kirche im Bistum Münster stehen mitten in einer Umbruchsituation und wir können uns dieser im positivsten Sinne des Wortes auch stellen. Für die Praxis der Pastoral und Seelsorge ergeben sich aktuell viele Fragen. Das sind auch Fragen des Aufbruchs, der Transformation und der Innovation. Und da ist es gut, dass es ein Team gibt, das diesen Fragen verantwortlich nachgeht, sie bearbeitbar macht, erste Antworten formuliert und sich somit in den Dienst der unterschiedlichen Akteure im Pastoralen Raum stellt. Dadurch wird Leitungsverantwortung für die Entwicklung des Pastoralen Raumes wahrgenommen. 
 

Freiwillig Engagierte teilen sich im Leitungsteam die Verantwortung für den Pastoralen Raum gemeinsam mit Hauptamtlichen? Welche Vorgaben sind im Statut verankert, damit bei den Entscheidungen alle gleichberechtigt sind?

Matthias Mamot: Wichtig ist zunächst, dass mit dem Statut das Zusammenspiel von Hauptamtlichen und freiwillig Engagierten strukturell (mit Sitz und Stimme) verankert und somit gesichert ist. An einigen Stellen beschreibt das Statut, wie z.B. Entscheidungen getroffen werden. Dabei war es bei der Erarbeitung des Statuts wichtig, die Möglichkeit zu eröffnen, die Selbstorganisation zu stärken und die vor Ort passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, beispielsweise über eine Geschäftsordnung oder durch die Option, abweichende Regelungen zur Mehrheitserfordernis festzulegen. Das Statut schafft hier Verbindlichkeit – es braucht in der konkreten Anwendung aber auch die Bereitschaft, aufeinander zu hören und zu gemeinsamen Entscheidungen zu finden. Zur Durchsetzung von Machtansprüchen ist das Statut von seinem Grundanliegen her nicht geeignet.

Martin Schroer: Ziel war es, mit dem Statut eine Struktur anzubieten, die Sicherheit verleiht und Verantwortlichkeiten klärt, damit die drängenden inhaltlichen Fragen nicht von Satzungsfragen überlagert werden. Die Leitungsteams werden ausgehend davon ihren Weg der Zusammenarbeit weiter ausgestalten und schauen, was die Bearbeitung der Themen und die Arbeitsweise des Teams unterstützt. Dabei bedeutet die gemeinsame Wahrnehmung von Verantwortung, sich individuell und als Team auf einen Lernprozess einzulassen. Diese Form der gemeinsamen Leitung im Team ist sicherlich Neuland. In den Koordinierungsteams wurden hier vielerorts schon wertvolle Erfahrungen gemacht. Auch von anderen Akteuren wie den katholischen Verbänden können wir diesbezüglich eine Menge lernen. Von Seiten des Generalvikariats gilt es, den anstehenden Lernprozess gut zu begleiten und Unterstützung und Beratung zur Verfügung zu stellen. 


Das Leitungsteam fördert die Zusammenarbeit aller Engagierten im Pastoralen Raum, heißt es im Statut. Wie kann dies gelingen?

Matthias Mamot: Zuallererst wird es für die Zusammenarbeit nötig sein, Kommunikation unter und mit den vielen Engagierten zu organisieren. Wir nehmen im Prozessgeschehen, z.B. bei den schon tätigen Koordinierungsteams wahr, dass es bereits jetzt eine wertvolle Erfahrung ist, sich über den Tellerrand der eigenen Pfarrei, des eigenen Verbandes, der eigenen Gruppierung hinaus mit anderen zu vernetzen, voneinander zu erfahren und dabei Verbindendes oder auch Verschiedenartigkeiten zu entdecken. Zusammenarbeit gelingt, wenn es ein gemeinsames Bewusstsein gibt, dass es darum geht, Anteil zu nehmen und auch zu geben. 

Martin Schroer: Zusammenarbeit im Pastoralen Raum heißt ja nicht, dass zukünftig alles zusammengetan werden soll oder alles vereinheitlicht werden muss. Die Unterschiedlichkeit des Engagements und der Felder, in denen die katholische Kirche präsent ist, ist eine ihrer Stärken. Es wird darum gehen, zielgerichtet Kooperationen einzugehen, die für alle Kooperationspartnerinnen und -partner einen Mehrwert darstellen und Themen- und Handlungsfelder konkurrenzfrei zu verorten. Schnittstellen zu identifizieren und potenzielle Kooperationspartner zusammenzubringen, ist eine Aufgabe des Leitungsteams.
 

Zudem trägt das Leitungsteam die Verantwortung für die pastoral-strategische Ausrichtung des Pastoralen Raumes. Was ist damit genau gemeint? Auch weitere langfristig-strategische Entscheidungen treffen die Organe des Pastoralen Raumes künftig gemeinsam. Lässt sich diese Aufgabe genauer umschreiben?

Matthias Mamot: Das Statut basiert auf der Grundaussage, die der inzwischen emeritierte Bischof Dr. Felix Genn als Vorzeichen für den Prozess zur Entwicklung der pastoralen Strukturen im Bistum Münster gesetzt hat: „Wir müssen die pastoralen Strukturen so gestalten, dass die Verkündigung der Frohen Botschaft unter in Zukunft deutlich veränderten Rahmenbedingungen weiter gut möglich sein wird.“ Das Statut differenziert dieses Vorzeichen, indem es verschiedene Dimensionen pastoral-strategischen Handelns benennt und für das Leitungsteam und die Organe des Pastoralen Raumes definiert – in der Pastoralentwicklung, der Kirchenentwicklung, der Kommunikation, der Personalverantwortung und beim Ressourcenmanagement. Es wird nötig sein, sich hier abzustimmen, Korrespondenzen herzustellen, Schwer- und Leichtpunkte zu setzen, festzulegen, womit man anfängt und was zurückgestellt wird… Es braucht Menschen, die Zeit und Lust haben, die für eine solche pastoral-strategische Ausrichtung notwendigen Entscheidungsprozesse zu gestalten.

Martin Schroer: Das ist der übernächste Schritt. Jetzt, nachdem viele Entscheidungen zur künftigen Struktur getroffen wurden, muss mit diesem Wissen im Hinterkopf geschaut werden, wie auch inhaltlich die Sendung der Kirche vor Ort immer wieder neu und passend für die Zeit, in der wir leben, realisiert werden kann. Das ist in erster Linie auch ein geistlicher Prozess. Und erst dann stellt sich die Frage, wie eine Strategie aussehen kann, um diesem eigenen Anspruch vor Ort auch praktisch gerecht zu werden.
 

Die Verwaltungsleitung ist geborenes Mitglied im Leitungsteam. Worum kümmert sich diese? Was gehört alles zu ihren Aufgaben?

Matthias Mamot: Die Verwaltungsleitungen sollen eine spürbare Entlastung der für Seelsorge und Pastoral Verantwortlichen sein. Derzeit sind Leitende Pfarrer und Pfarreileitungen noch stark in Aufgaben der Verwaltung gebunden und müssen hierfür Zeit und Energie aufwenden. Dort, wo diese Aufgaben komplex und umfangreich sind, kann und soll die Verwaltungsleitung tätig werden. Das kann die Personalverantwortung für kirchliches, nicht pastorales Personal sein, das eine Pfarrei allein nicht mehr anstellen oder finanzieren kann, das soll die administrative Verwaltungsunterstützung pastoraler Felder und Projekte auf der Ebene des Pastoralen Raumes sein. Zudem wird sie als Bindeglied die Koordination der unterschiedlichen Akteure der kirchlichen Verwaltung übernehmen, von den Verwaltungsreferentinnen und -referenten über die Kirchenvorstände im Pastoralen Raum und die Zentralrendantur bis hin zu den Fachabteilungen des Generalvikariates. 
 

In jedem Pastoralen Raum gibt es einen „Rat des Pastoralen Raumes“. Wer ist darin vertreten? Und welche Funktion hat dieser Rat?

Matthias Mamot: Der Rat setzt sich zusammen aus dem jeweiligen Leitungsteam, maximal zwei Personen aus jeder Pfarrei sowie maximal einer Vertreterin oder einem Vertreter aus den Pastoralteams jeder Pfarrei. Damit ist im Rat des Pastoralen Raums auch wirklich jede Pfarrei vertreten. Hinzuberufen werden können weitere Akteure aus dem Pastoralen Raum – beispielsweise von der Caritas, katholischen Vereinen und Verbänden sowie Einrichtungen. Aufgabe des Rates des Pastoralen Raumes, der mindestens zweimal pro Jahr tagen soll, ist u.a., die pastorale Strategie zu beraten und über sie zu entscheiden.

Martin Schroer: Der Rat des Pastoralen Raums hat die Aufgabe, das Leitungsteams zu unterstützen. Mit dem Rat hat das Leitungsteam ein Gremium, um sich Feedback zu holen, Fragen breiter zu diskutieren und sich vor wichtigen Entscheidungen auch nochmal rückzuversichern. Gleichzeitig erleben wir, wie wichtig Transparenz, Rechenschaft und Kontrolle sind, um die Qualität von Entscheidungen zu bereichern. Auch hier bildet der Rat einen Resonanzraum und übernimmt Verantwortung.
 

Und es geht noch weiter: Das Leitungsteam beruft mindestens einmal jährlich das „Forum des Pastoralen Raumes“ ein. Wer kommt zu diesem Forum? Und was macht dieses Forum?

Matthias Mamot: Das Forum des Pastoralen Raumes soll den Blick über die pastoralen Bezüge hinaus weiten. Aus der Soziologie kennen wir den Begriff der sozialräumlichen Struktur, die das weitere gesellschaftliche Umfeld beschreibt. Im Sozialraum ist der Pastorale Raum mehr als die Summe der darin verorteten Pfarreien. So dient das Forum als Begegnungsort aller Engagierten und Interessierten im jeweiligen Pastoralen Raum und Sozialraum. Das können und sollen also durchaus auch nicht kirchlich-gebundene Akteure sein, die Schnittmengen mit pastoralen Themen und Fragestellungen haben.

Martin Schroer:: Wir haben wie viele andere Organisationen, Initiativen und Gruppierungen ein Interesse, die Gesellschaft und das Leben vor Ort mitzugestalten und möchten auch in dieser Form der Vernetzung mit außerkirchlichen Akteuren einen Beitrag leisten. Das ist auch etwas, das die Menschen vor Ort von der katholischen Kirche erwarten. Und somit ist es gut, dass es mit dem Forum ein Format gibt, in dem Ideen und Projekte nochmal ganz anders entstehen können. 

Das Interview führte Gudrun Niewöhner.

Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen gibt es ein gesondertes Statut zur Leitung Pastoraler Räume im Offizialatsbezirk Oldenburg.