„Schauen wir doch mal, was das ARD-Buffet heute macht.“ Allen Mentrup steht vorne an der Tafel. Mit einem Projektor spiegelt der Oberstufenschüler das Display seines Smartphones an die Wand. So können die acht Schüler des Kurses „Smartphone/Tablet“ ganz genau die nächsten Schritte verfolgen. Mit dem Finger zeigt er den Senioren, wie die App aussieht und was sich hinter den einzelnen Punkten verbirgt. „Wir können jetzt ja mal alle gemeinsam in der Kategorie nach einem Mittagessen suchen.“ Gemeinsam wiederholen sie, wie man eine App herunterlädt und schauen sich dann in der App um – jeder auf seinem Smartphone. Tandem-Partner Nico Reekers geht durch das Klassenzimmer, hilft den Seniorinnen und Senioren, wenn sie nicht weiterkommen.
In der Seniorenschule EULE am Fürstenberg-Gymnasium Recke übernehmen Schülerinnen und Schüler bereits seit Februar 2001 die Lehrerrolle und geben ihre Kenntnisse ehrenamtlich an Senioreninnen und Senioren ab 55 Jahren weiter. Immer im Tandem unterrichten die Oberstufenschüler jeden Freitagnachmittag in der Schulzeit zwischen fünf und 20 Senioren. Englisch, Französisch, Computer oder auch Gedächtnistraining – das Angebot der Seniorenschule richtet sich auch nach den Schülern – und das sind derzeit immerhin 100.
AUSTAUSCH IN DER KAFFEEPAUSE
Die Idee für die Seniorenschule hat sich das Gymnasium beim Gymnasium Nepomucenum in Rietberg (Kreis Gütersloh) geholt, das seinerseits vom Fanny Leicht Gymnasium in Stuttgart inspiriert wurde. Die Seniorenschule EULE - eine Schule für Senioren innerhalb einer Schule - ist ein gemeinsames Projekt des Fürstenberg-Gymnasiums in Recke und des Caritasverbandes Tecklenburger Land. Jeden Freitagnachmittag kommen die Seniorenschüler in Recke zusammen. „Wenn das Wetter schön ist, dann haben wir in der Regel weniger Teilnehmer. Dann müssen viele in den Garten“, erklärt Johannes Rott von der Caritas im Tecklenburger Land.
Pia-Maria Schweiker ist als Lehrerin des Fürstenberg-Gymnasiums verantwortlich für das Projekt. Sie koordiniert den Stundenplan und ist Ansprechpartnerin für Schüler und Senioren. „2014 feierten sogar schon die ersten Senioren ihr ‚Abitur’”, berichtet Schweiker. 13 Jahre lang hatten sie die Seniorenschule besucht. Das Projekt sei auch für die Schüler eine tolle Chance. „Wir haben jedes Jahr mehr freiwillige Schüler als benötigt“, berichtet sie. Unterrichtet wird in zwei Schienen, so dass jeder Teilnehmer zwei unterschiedliche Kurse belegen kann. In der ‚großen Pause’ wird in der Mensa der Schule gemeinsam Kaffee getrunken und sich ausgetauscht. „Das ist sowohl für die Schüler wie auch die Senioren besonders wichtig“, sagt Schweiker.
Die Idee, an der Seniorenschule teilzunehmen, kam vor zwei Jahren, erzählt Reinhold Grass. „Wir waren mit der Kolping-Gruppe unterwegs. Der eine wusste das nicht auf dem Handy, der andere das nicht – da brauchten wir Hilfe“, erzählt Grass. „Gerade losgeschickt und schon ist das Bild da – das ist doch klasse“, sieht der 76-Jährige die Vorteile des Smartphones. Das Verhältnis zu den Schülerlehrern sei ganz unkompliziert. „Wir können einfach immer Fragen stellen.“
„Die eigenen Kinder haben ja keine Zeit und keine Muße, mir das beizubringen“, sagt Edeltraut Schindler. „Das Gute ist hier: Es gibt kein festes Programm, wir machen die Themen, die uns interessieren.“ Vor allem die Wiederholungen seien gut. „Dann verliert man die Angst davor.“ Anni Niemann hat sich für den Kurs sogar extra einen Laptop gekauft. Die Schülerlehrer Tim Drees und Mike Wenzel hätten sie dabei beraten.
DAS ESSEN AUF ENGLISCH BESTELLEN
Mila Schindler leitet gemeinsam mit Charlotte Zeidler einen von insgesamt sechs Englischkursen. „Die Senioren wollen keine Sonderbehandlung, schließlich wollen alle etwas lernen“, erklärt sie. Genau wie sie es selbst aus dem Unterricht kenne, gebe es Schüler, die immer quatschen würden, „eine Seniorin schreibt auch gerne mal ab, wenn sie nicht weiterkommt“, erzählt die 17-Jährige schmunzelnd. Es würden nicht nur Vokabeln gepaukt und Grammatik gelernt, sondern vor allem eigene Sätze zu bilden und ein Gefühl für die Sprache zu bekommen, sei wichtig. Es gehe den Senioren in der Regel darum, im Urlaub auf Englisch etwas zu essen bestellen zu können oder auch die Anglizismen im Alltag zu verstehen.
Klar sei die Unterrichtsvorbereitung auch Arbeit, die sie in ihrer Freizeit mache, sagt Mila Schindler, und auch die Sichtweisen der Senioren deckten sich nicht immer mit ihren eigenen. „Aber dadurch kann ich ja auch etwas lernen“, resümiert sie.
Kerstin Bücker