„Aktion Würde und Gerechtigkeit“ hilft

, Kreisdekanat Steinfurt

Ioana Simon weiß, wie schwer es sein kann, anzukommen. Und wie gut es dann ist, Hilfe zu haben. Seit 13 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Deutschland. Nicht immer war das Leben hier leicht. Ihr Lehramtsstudium wurde nicht anerkannt. Eine sicher geglaubte Wohnung wurde abgesagt, als der Mieter hörte, dass sie Rumänin ist… Heute setzt sich Ioana Simon zusammen mit Venera Topor für andere ein, die in Deutschland Zuflucht, vielleicht Heimat suchen. Die beiden Frauen sind Sozialarbeiterinnen beim Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ in Lengerich, der von Pfarrer Peter Kossen mitgegründet wurde.

Bei ihnen hat sich auch Svitlana Kuznyetsova gemeldet. Die Ukrainerin ist schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges nach Portugal und von dort vor fünf Jahren ins Münsterland gezogen. Aus gesundheitlichen Gründen. Die 39-jährige Mutter von zwei Kindern ist ebenfalls Lehrerin – für Informatik und Textil. Ihr Diplom gilt in Deutschland jedoch nicht. Um arbeiten zu können, hat sie erst einmal einen Sprachkursus belegt, bei dem sie Venera Topor kennengelernt hat. Die junge Mutter von ebenfalls zwei Kindern ist vor sechs Jahren aus Moldawien zugewandert. 

Dass sie als Frauen mit Migrationshintergrund andere beraten, sie unterstützen, in Deutschland Fuß zu fassen, komme bei vielen Hilfesuchenden gut an, so die Erfahrung von Ioana Simon und Venera Topor: „Sie merken schnell, dass wir uns in ihre Situation ehrlich hineinversetzen können und wir wissen, wie sie sich fühlen.“ Das baue Hemmungen und Ängste ab.

Gegründet wurde der „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ 2019, um Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Ost- und Südosteuropa zu helfen und in ihren Rechten zu stärken. „Die meisten unserer 250 Klientinnen und Klienten arbeiten in der Fleischindustrie“, sagt Ioana Simon. Unter teils menschenunwürdigen Bedingungen, wie Pfarrer Kossen seit Jahren immer wieder öffentlich anprangert. Katastrophal seien auch die Unterkünfte der Arbeiterinnen und Arbeiter, verweist der Lengericher Pfarrer auf barackenähnliche Wohnungen. 

Wegen der wechselnden Schichten sei es ihnen meist fast unmöglich, an regulären Kursen teilzunehmen und Deutsch zu lernen, benennt Ioana Simon ein Problem. Der Verein versucht, besondere Sprachkurse für die Schichtarbeiterinnen und -arbeiter zu für sie passenden Zeiten anzubieten. Zwei Frauen hätten es inzwischen geschafft, sie haben Arbeit in der Pflege beziehungsweise als Küchenhilfe gefunden. Das freut die beiden Sozialarbeiterinnen und macht sie auch ein wenig stolz. Sie unterstützen beim Schreiben von Lebenslauf und Bewerbung und geben Tipps.

Svitlana Kuznyetsova spricht mittlerweile gut Deutsch. Sie hat eine Ausbildung zur Kinderpflegerin abgeschlossen und arbeitet in einer Tageseinrichtung für Kinder in Laggenbeck. Die ältere Tochter geht zum Gymnasium, der Junge noch in die Grundschule. Ihr Mann hat wieder einen Job in Portugal angenommen, ist aber regelmäßig auch in Lengerich. Gerne nimmt sie an Angeboten des Vereins teil, an Veranstaltungen für Frauen, um sich mit anderen auszutauschen, neue Kontakte zu schließen. Und wenn Bedarf ist, hilft sie auch selbstverständlich beim Übersetzen. Schließlich wissen sie alle, wie wichtig Hilfe ist – und wie gut sie tut.

Gudrun Niewöhner