Am Lebensende mit allen Sinnen genießen

, Bistum Münster, Kreisdekanat Steinfurt

Wider Erwarten riecht es nach Orangen und Zitronen, wenn man das Hospiz in Emsdetten betritt. Das Haus Hannah ist ein Ort an dem man das Leben mit allen Sinnen bis zum Ende genießen kann. Und es ist ein Ort, der zu einer menschlicheren Gesellschaft beiträgt, betont Diözesancaritasdirektor Dr. Christian Schmitt bei seinem Besuch anlässlich des Welthospiztags am 12. Oktober.  

Nicole Rusche, Dirk Pauly, Dr. Christian Schmitt und Marcus Proff stehen vor dem Hospiz.

Eine kleine Delegation vom Diözesancaritasverband in Münster zu Besuch im Haus Hannah: (von links) Nicole Rusche, Referentin für Palliative Versorgung und Hospizarbeit bei der Caritas für das Bistum Münster, Hospizleitung Dirk Pauly, Diözesancaritasdirektor Dr. Christian Schmitt, Marcus Proff, Bereichsleitung Krankenhäuser, Palliativ und Pflegeausbildung bei der Caritas für das Bistum Münster.

Andrea Upmann hält eine kleine Flasche in der Hand. Sie steht vor einem mit Bettdecken gefüllten Regal.

Feines Näschen: Aromapflegeexpertin Andrea Upmann setzt ätherische Öle und Duftmischungen beispielsweise zur Stimmungsaufhellung und Linderung von Atemnot oder Übelkeit ein.

Kleine etikettierte und mit verschiedenfarbigen Markierungen versehene Flaschen stehen in einer Schublade.

Duft zum Durchatmen, Reine Luft oder Lemongras – sind nur einige von vielen ätherische Ölen und Duftmischungen, die im Rahmen der Aromapflege im Haus Hannah Beschwerden von Palliativpatienten lindern helfen.

„Hier, riechen Sie einmal …“ Aromapflegeexpertin Andrea Upmann reicht dem Besuch aus Münster ein kleines Döschen mit Riechsalz. Darin sind stimmungsaufhellende Zitrusdüfte, die viele Palliativpatienten an einen Sommertag denken und lächeln ließen. Die Aromapflege ist ein begleitendes Angebot zu den medizinischen Maßnahmen im Haus Hannah. „Über den Geruch können körpereigene Botenstoffe im Gehirn ausgeschüttet werden, die schmerzen Lindern und Übelkeit oder Luftnot verbessern“, erklärt Upmann. Der Geruchssinn sei in der Regel der letzte, der sich verabschiedet. 

Ein Gast, wie die Palliativpatienten im Hospiz genannt werden, habe beispielsweise immer geklagt: „Mach den Gürtel weg, ich bekomme keine Luft mehr.“ Kein Medikament habe gegen seine Atemnot und das Druckgefühl geholfen. „Wir haben ihm dann mit einer eigens für diesen Zweck hergestellten Ölmischung den Brustkorb und den Rücken eingerieben und er bekam wieder besser Luft“, erinnert sich Upmann. Grund dafür waren die über den Geruchssinn aufgenommenen Inhaltsstoffe, die die Bronchien und Blutgefäße weiten. „Für uns ist es wichtig, möglichst viel anbieten zu können und damit handlungsfähig zu bleiben, weil die Gäste so unterschiedlich reagieren“, sagt Hospizleitung Dirk Pauly. 

Milchreis mit Zimt und Zucker, eine Linsensuppe oder Gulasch mit Kartoffeln – oftmals tragen auch der Geruch und der Geschmack von einem Lieblingsessen aus der Kindheit zum Wohlbefinden der Gäste bei. „Wir kochen hier alles frisch und mit Liebe“, sagt Hauswirtschaftskraft Martina Schulte. Seit 13 Jahren sorgt sie sich mit um das leibliche Wohl der Gäste. Schon oft hat sie gehört: ‚Ich hatte gar keinen Appetit mehr und jetzt schmeckt es mir wieder.‘ Schulte liebt ihren Job. Die große Dankbarkeit, die Blicke, mal ein Händedruck – es seien viele kleine Dinge, die ihre Arbeit so besonders machen.  

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Angehörigen auch nach dem Tod eines geliebten Menschen das Hospiz besuchen können. Es gibt Erinnerungsorte, Gottesdienste und Ansprechpersonen wie Birgit Wälting. „Meine Bürotür steht für alle offen“, sagt die Mitarbeiterin vom Sozialen Dienst. In ihr klingen gerade noch die Worte einer Anruferin nach: „Meine Mutter ist mit 85 Jahren gestorben. Ich weiß, das ist das Normalste der Welt, aber ich halte es mit meiner Trauer nicht mehr aus.“ Deshalb bietet das Hospizteam regelmäßige Trauergruppen an.

Etwa 120 Menschen werden im Haus Hannah jährlich auf ihrem letzten Weg begleitet. „Ihr Wohl steht immer im Mittelpunkt“, betont Hospizleitung Pauly. Dafür stehe ein Team mit unterschiedlichen Ausbildungen bereit: 24 Krankenpflegerinnen und -pfleger – unter ihnen Schmerztherapeuten und Wundmanager, neun hauswirtschaftliche Kräfte, vier Mitarbeitende in der Trauerbegleitung sowie drei Kolleginnen für die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising. Viele von ihnen arbeiten in Teilzeit. Hinzu kommen rund 20 Ehrenamtliche, die Besuchsdienste im Hospiz übernehmen und mindestens noch einmal so viele, die im Rahmen von Spendenaktionen Kuchen backen, Handarbeiten verkaufen oder die Flaschenpfandsammlung unterstützen. 

Das Haus Hannah ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Nicht nur durch seine zentrale Lage mitten im Herzen von Emsdetten wird deutlich, dass Sterben zum Leben gehört, sondern vor allem auch durch die Haltung der Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen. „Sie ermöglichen den Menschen, das Leben bis zum Schluss mit allen Sinnen zu genießen“, sagt Diözesancaritasdirektor Dr. Schmitt am Ende seines Besuches. „Durch Ihre Arbeit wird die Gesellschaft menschlicher, weil Sie Sterbende leben lassen.“ 

Zur Caritas für das Bistum Münster gehören zwölf stationäre Hospize, ein teilstationäres Hospiz, 35 ambulante Hospizdienste, 16 Palliativstationen und 35 ambulante Palliativdienste. Um auf die palliativmedizinischen und hospizlichen Bedarfe von schwerkranken Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aufmerksam zu machen, hat die Caritas ein Themenjahr zur Palliativen Kultur gestartet. Weitere Informationen unter: Caritas für das Bistum Münster – Palliative Kultur 

Text und Fotos: Caritas für das Bistum Münster / Carolin Kronenburg

Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.