In einer kleinen Feierstunde hat Krabbe gemeinsam mit Dr. Heinz Mestrup, Leiter des Bistumsarchivs, den Franziskanerinnen ein zweibändiges Findbuch, also eine Übersicht über das Archivgut, überreicht. „Wir haben unser Archiv abgegeben, damit die Menschen damit arbeiten können. Wir möchten, dass unsere Geschichte zugänglich bleibt“, erklärt Schwester Katharina Kluitmann den Hintergrund. Die Provinzoberin ist glücklich über die Möglichkeiten, die sich jetzt im Bistumsarchiv bieten, und dankbar für die Unterstützung des Bistums. „Das ist auch ein Beitrag zur Frauenforschung. Die Zusammenarbeit war sehr gut“, lobt sie mit Blick auf Krabbe. Auch Schwester Gertrud, die in den vergangenen 21 Jahren das Archiv geführt hat, ist bei der Übergabe sichtlich beeindruckt. „Ich hätte nicht gedacht, dass es soviel ist“, sagt die 85-Jährigen beim Blättern.
Zwei Jahre lang ist Krabbe eingetaucht in die Welt des Ordens, in Unterlagen, die sowohl das religiöse als auch das wirtschaftliche Leben dokumentieren. „Ich hatte jedes Blatt in der Hand, habe es von den Heftklammern befreit. Das ist wichtig, denn das Eisen rostet und zerstört im Laufe der Zeit die Dokumente“, berichtet die promovierte Historikerin. Knapp 40 Prozent der Unterlagen habe sie gelesen. Alles, was ihr für den Orden wichtig erschien, hat sie in einem Computerprogramm nach einem logischen Schema aufgelistet, damit es später wiedergefunden werden kann: Verwaltungsakten, Chroniken, Baupläne, Rechnungen, Urkunden, Bücher über Niederlassungen, Reisen, Bräuche oder Andachten und vieles mehr aus der Zeit von 1801 bis 2019. „Das komplette Leben der Ordensfrauen spiegelt sich darin wieder. Alles ist nun in säurefreiem Material verpackt, sodass es die nächsten Jahrhunderte überstehen kann“, sagt Krabbe, die in Münster, Oxford und im italienischen Perugia studiert hat.
Bei der Sichtung der Unterlagen habe sie immer wieder begeistert, wie sich der Orden gewandelt habe und mit der Zeit gegangen sei. „Es kommt ebenso zum Ausdruck, wie verwachsen die Schwestern mit ihrer Umgebung waren, und dass sie in den Städten, in denen sie sich engagierten, anerkannt waren“, berichtet sie und fügt hinzu: „Sie haben in der Welt gelebt. Davon zeugen beispielsweise auch verschiedene Auszeichnungen wie das Bundesverdienstkreuz.“ Ihr seien die Schwestern in den vergangenen zwei Jahren ans Herz gewachsen. „Sie haben sich gewandelt und sind gleichzeitig ihrem Auftrag treu geblieben. Es sind Frauen, die selbstbewusst in die Welt gegangen sind. Sie haben ihre Berufung und ihren Beruf ausgeübt. Sie zeigen, dass ein Leben für Gott und für die Menschen Hand in Hand gehen kann“, ist Krabbe begeistert. Die Franziskanerinnen hätten sich beispielsweise in der Versorgung von verwundeten Soldaten engagiert, aber auch gekämpft, als die Nationalsozialisten ihre Schule schließen wollten. Die allmähliche Auflösung der Konvente lese sich zwar wie ein Niedergang, „ist es aber nicht. Es ist ein Wandel und ein Umbruch.“ Je tiefer sie in die Unterlagen eingetaucht sei, desto spannender seien die Geschichten, die sich hinter dem Papier verbergen. „Man ist dabei. Das ist ein spannendes Forschungsfeld“, ist Krabbe überzeugt.
Das Archiv der Franziskanerinnen von Lüdinghausen ist nun, vorbehaltlich archivischer Schutzfristen, über das Bistumsarchiv für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich. „Wir freuen uns, dass das Projekt so einen guten Abschluss gefunden hat. Es war eine Pionierarbeit. Bislang gibt es im Bistumsarchiv kaum Archive aus Ordensbeständen“, sagt Mestrup und weist darauf hin, dass eine Mitarbeiterin gerade an dem Archiv der Vorsehungsschwestern aus Münster arbeite.
Michaela Kiepe