Bodo Ramelow plädiert in der LVHS Freckenhorst für offene Gesellschaft

, Kreisdekanat Warendorf

„Ich bin Demokrat, ich bin Gewerkschafter, ich bin Christ – und ich bin links.“ Mit dieser Aussage hat Bodo Ramelow immer wieder verdeutlicht, dass seine politische Identität weit über die Zugehörigkeit zur Partei „Die Linke“ hinausgeht. Anlässlich des Krüßing-Festes war der neue Bundestagsvizepräsident, der frühere Ministerpräsident von Thüringen und der bekennende Christ am 5. Mai zu Gast in der Landvolkshochschule (LVHS) Freckenhorst. Im Beisein von Warendorfs Bürgermeister Peter Horstmann begrüßten in der gefüllten Gartenhalle LVHS-Direktor Michael Gennert und Pfarrdechant Manfred Krampe den Politiker, der über persönliche Glaubenserfahrungen, 35 Jahre Deutsche Einheit und die Herausforderungen der Demokratie in einer krisengeschüttelten Welt sprach.
 

Bodo Ramelow plädierte am 5. Mai in der LVHS Freckenhorst für eine offene Gesellschaft.

© Bistum Münster

Gleich zu Beginn machte Ramelow klar, worum es ihm geht: „Ich bin immer noch dem lieben Gott dankbar, dass vor 35 Jahren kein Schuss gefallen ist.“ Die friedliche Revolution in der DDR, getragen von mutigen Christinnen und Christen, sei für ihn der eigentliche Kern der Wiedervereinigung. „Wer damals mit der Kerze aus der Kirche ging und ‚Keine Gewalt!‘ rief, der hatte echten Mut“, betonte er und erinnerte an die Kraft der Friedensgebete.

Der Abend stand unter dem Motto „Christ, Sozialist, Ministerpräsident“ – drei Begriffe, mit denen Ramelow damals Wahlkampf gemacht hatte. In der LVHS sprach er offen über seinen inneren Konflikt mit der Kirche, über seinen Austritt aus der Kirche und seine Rückkehr zum Glauben durch die Erfahrungen in Thüringen. „Mit Gottes Bodenpersonal hatte ich schon viel Krach“, sagte er mit einem Lächeln. Aber der Glaube habe ihn nie verlassen.

Mit Blick auf die deutsche Geschichte hob Ramelow die Rede Richard von Weizsäckers zum 8. Mai 1985 hervor. Der damalige Bundespräsident hatte damals erklärt, Deutschland sei vom Nationalsozialismus befreit worden, und prägte damit die deutsche Erinnerungskultur. „Als er von Befreiung sprach, war das für mich ein Wendepunkt“, erinnerte sich Ramelow. Diese Sichtweise auf das Ende des Zweiten Weltkriegs sei ein Schlüssel zur Versöhnung – auch mit der eigenen Biografie mit Familienangehörigen im Osten und Westen, wie er erzählte: „Ich habe vor Freude geweint, als die Grenze aufging.“

LVHS-Direktor Michael Gennert begrüßte Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow.

© Bistum Münster

In seiner politischen Analyse wurde Ramelow deutlich. Angesichts des Ukrainekriegs bekannte er: „Ich bin kein Pazifist. Ich bin für eine gut ausgestattete Bundeswehr.“ Dennoch bleibe die Forderung „Schwerter zu Pflugscharen“ seine Vision. „Abrüstung ist kein Zeichen von Feigheit, sondern von Klugheit“, sagte er und warnte vor einer erneuten Spirale der Gewalt. Den russischen Präsidenten nannte er einen „Mörder“, betonte jedoch auch: „Wir müssen europäisch denken und handeln – in unserer Vielfalt.“

In der Diskussion wurde der Einfluss der digitalen Welt thematisiert. Ramelow sprach sich für eine strikte Plattformregulierung aus. „Wer eine Plattform betreibt, muss auch dafür haften“, forderte er. Gleichzeitig warnte er vor der wachsenden Macht evangelikaler Radikalität aus den USA, die auch politische Konflikte, etwa im Nahen Osten, verschärfe. Ein KI-generiertes Bild, das Trump als Papst zeigt, kommentierte er scharf: „Das ist Blasphemie. Wer mit der Kirche so umgeht, soll nicht von Jesus reden.“

Als Bildungsreformer kritisierte Ramelow außerdem die aktuellen Entwicklungen. „Was mich maßlos ärgert, ist, dass die Chancen Ostdeutschlands nicht genutzt werden“, sagte er mit Blick auf den aktuellen Koalitionsvertrag. Bildung müsse als Gemeinschaftsaufgabe gedacht werden.

Nach seinem Rückzug aus dem Ministerpräsidentenamt engagiert sich Ramelow weiterhin – etwa als Aufsichtsratsvorsitzender der Fair-Train-Genossenschaft, die junge Menschen für Eisenbahnberufe qualifiziert. Was ihn antreibt? Die Überzeugung, dass Werte wie Respekt, Vielfalt und Zusammenhalt kein Relikt der Vergangenheit sind, sondern heute nötiger denn je.

Ann-Christin Ladermann