Christliche Kirchen feiern Friedensvesper in Münster

, Stadtdekanat Münster

Am 24. Oktober, dem 375. Jahrestag des Westfälischen Friedens, haben die evangelische Apostel-Kirchengemeinde, die katholische Pfarrei St. Lamberti und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Münster eine ökumenische Friedensvesper in der Apostelkirche gefeiert. Dabei rief die evangelische Pfarrerin Kerstin Schütz angesichts der Krisen und Kriege in der Welt zum gemeinsamen Dialog auf. „Wie wurde der Westfälische Frieden möglich?“, fragte sie. Die Antwort: Durch Verhandlungen. Frieden entstehe im Dialog. 

Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Er herzte ihn und sie weinten“, einer Zeile aus der Erzählung über die Brüder Jakob und Esau im biblischen Buch Genesis. Von diesem Leitwort ausgehend entwickelte der evangelische Theologe und Psychotherapeut Prof. Dr. Michael Utsch die Gedanken seiner Predigt. 

Er stellte Jakob und Esau als ungleiches Zwillingspaar dar: Der eine, Esau, vaterbezogen, impulsiv, raubeinig, ein herumstreifender Jäger, der andere, Jakob, ein sanfter Mann, der zu Tränen und Träumen neigte, seiner Mutter nahestand, gleichzeitig als strategischer Denker vor Hinterhältigkeiten nicht zurückschreckte. Als Jakob sich als sein Bruder verkleidet, um beim greisen und erblindeten Vater dessen Segen zu erschleichen, eskaliert die Situation. Esau schwört Rache und dem jüngeren Bruder bleibt nur die Flucht.

„An dieser Spaltung der Familie waren auch die Eltern beteiligt“, analysierte Utsch. In heutiger Sprache habe es sich wohl um eine „dysfunktionale Familie“ gehandelt. Statt offen miteinander umzugehen, hätten sich die beiden Brüder für destruktive Formen der Kommunikation entschieden: Auf der einen Seite die Flucht, auf der anderen die Androhung von Gewalt. 

Doch die biblische Geschichte von Jakob und Esau hat ein Happy End: Nach fast 20 Jahren beendet Jakob die Flucht vor seinem Bruder, trotz der Nachricht, dass dieser ihm mit einem Heer von 400 Mann entgegenkomme. Am Ende kommt es zu keinem Gewaltausbruch, sondern die Brüder fallen sich in die Arme: „Er herzte ihn und sie weinten.“

Familien seien „Brutstätten interpersonaler Verletzungen“ und gleichzeitig Laboratorien, um Verzeihen einzuüben, so der Experte. „Oft werden wir aneinander schuldig, haben nur den eigenen Vorteil im Blick.“ Verzeihen sei ein Prozess, der mitunter Jahre dauere und mit einer möglichst präzisen emotionalen Selbsterforschung beginne. Es sei kein einfacher Weg, aber die seelisch gesündere Lösung gegenüber der Unversöhnlichkeit, denn diese sei ein enormer Stressfaktor. „Vergeben reduziert Stress und wirkt sich zum Beispiel positiv auf den Blutdruck aus“, erläuterte Utsch. 

Konflikte gehörten zum Leben dazu, schloss der Psychotherapeut und Theologe seine Ausführungen. Sie müssten ausgehalten und ausgetragen werden. Und je näher sich zwei Menschen stünden, desto schwerere Schäden könnten sie sich zufügen. Doch Versöhnung sei möglich und manchmal könne sie auch darin bestehen, die gegenseitige Andersartigkeit zu akzeptieren.

Die musikalische Gestaltung der ökumenischen Friedensvesper übernahmen der Kammerchor St. Lamberti unter der Leitung von Maximilian Betz sowie Konrad Paul an der Orgel. Der Erlös der Kollekte kommt der christlichen Gemeinschaft Sant‘ Egidio zugute, die sich seit vielen Jahren international in der Friedensarbeit engagiert.

Thomas Mollen