Christlicher Friedensbegriff und Ukrainekrieg Thema beim Juristentreffen

, Bistum Münster

Zum „Hochfest der katholischen Juristinnen und Juristen im Sommer“, dem alljährlichen Juristentreffen des Bistums Münster, hat Bischof Dr. Felix Genn am 6. September mehr als 160 Gäste in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster begrüßt. Referent des Tages war Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven vom Institut für Theologie und Frieden in Hamburg. Er sprach über die „Bedeutung des Völkerrechts in der Friedensethik“ anhand des russischen Kriegs gegen die Ukraine.

stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger, Hans Georg Justenhoven, Dr. Antonius Hamers vom Vorbereitungskreis, Felix Genn und Gernot Sydow

Sie diskutierten das Verhältnis des theologischen und des politischen Friedensbegriffs und die Konsequenzen (von links): die stellvertretende Akademiedirektorin Maria Kröger, Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven, Dr. Antonius Hamers vom Vorbereitungskreis, Felix Genn und Gernot Sydow.

© Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht

Nach der Einführung durch Bischof Genn, der die Bedeutung des Franz Hitze Hauses als dem „richtigen Ort für Begegnungen zwischen Politik und Gesellschaft“ hervorhob, verdeutlichte Justenhoven an Beispielen, wie der theologische Friedensbegriff den politischen inspiriert und normiert habe. Beide Begriffe unterschieden sich aber insofern voneinander, als dass der politische Friedensbegriff mit der Unaufhebbarkeit von Schuld leben müsse. Der christliche Friedensethos strebe also mehr an als das, was Politik erreichen könne. Seine Aufgabe sei aber, der Politik Visionen bereitzustellen. 

Der Referent sprach sich für eine Konfliktregelung auf Grundlage einer internationalen Rechtsordnung aus. Diese sei gewaltfrei am besten herzustellen. Er zeichnete nach, dass viele katholische Denker, darunter Päpste, dies ebenfalls hergeleitet hätten. Auch das Zweite Vatikanische Konzil habe an die Sichtweise angeknüpft, „dass weltweit zu regelnde Fragen nur durch eine weltweit agierende Kraft gelöst werden können.“ 

Ebenso sei in der Völkerrechtswissenschaft die Einsicht der Notwendigkeit einer internationalen Rechtsordnung gewachsen, die den Krieg als ordnendes Mittel ersetzen müsse. „Leider hat die bestehende internationale Rechtsordnung Defizite“, sagte Justenhoven, „denn nur, wenn die beteiligten Parteien einverstanden sind, kommt es zu einer Verhandlung, und es gibt außerdem keine Instrumente zur Durchsetzung der Urteile.“ 

Zudem wies er auf das Problem der Parteilichkeit hin, das den Vereinten Nationen als Organisation durch das Vetorecht der Mitglieder des Sicherheitsrates entsteht. Immerhin sei durch die Regelung, dass Vetos zur begründen seien, der politische Druck auf die entsprechenden Staaten gestiegen.

Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine erläuterte der Referent den Begriff des konditionierten Rechts auf Selbstverteidigung: „Dieses Recht muss sich dem Ziel der Gewaltüberwindung dienen, und die eingesetzten Mittel müssen sich an den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Hinlänglichkeit orientieren.“ In diesem Sinne habe die Ukraine das Recht, sich gegen angreifende schwere russische Waffen mit ebensolchen Waffen zu wehren, und andere Staaten seien verpflichtet, diese bereitzustellen. Welche Waffen genau geliefert würden, sei eine Frage der Möglichkeiten und der politischen Klugheit. 

Justenhoven wagte auch den Ausblick in die Zukunft: „Die internationale Gemeinschaft ist heute schon verpflichtet, über die Zeit nach diesem Krieg nachzudenken.“ Er ermutigte, sich diese Zukunft durchaus auch positiv vorzustellen: „Viele positive Entwicklungen, an die noch eine Generation vorher niemand geglaubt hätte, sind Wirklichkeit geworden. Es ist vieles denkbar, wir müssen nur nachdenken, welche Schritte wir dafür gehen müssen.“

Zu einem Frieden zwischen der Ukraine und Russland gebe es dauerhaft keine Alternative. „Unsere Rolle als Christen kann es dabei sein, Sprachfähigkeit herzustellen und Dialog zu fördern“, sagte Justenhoven. Zunächst müsse man denjenigen Russen, die gegen Putins Krieg sind, und den Ukrainern jeweils geschützte Räume zur Artikulation bieten. In einem zweiten Schritt müsse man den Dialog zwischen ihnen herstellen. „Hier könnte wesentlich mehr geschehen“, nahm der Referent die Kirchen in die Pflicht. Seine Thesen wurden in der anschließenden lebendigen Diskussion, die Prof. Dr. Gernot Sydow moderierte, vertieft und ausgeweitet. 

 

Anke Lucht