In der voll besetzten Reglerkirche sprach Gewand über seine Erfahrungen aus dem Prozess im Bistum Münster. „Wir müssen die Strukturen verändern, damit wir weiterhin unseren Kernauftrag als Kirche erfüllen können.“ Münsters Bischof Dr. Felix Genn sei es wichtig, eine Struktur zu schaffen, mit der das Evangelium künftig auch unter veränderten Rahmenbedingungen vor Ort verkündet werden könne. In Münster habe man sich daher für die Pastorale Räume entschieden. Weiterhin eigenständige Pfarreien würden in diesen Räumen enger zusammenarbeiten und Synergien nutzen. Bischof Feige wies darauf hin, dass sein Bistum durch die Wende von der DDR zur BRD schon eine dramatische Veränderung erfahren habe. „Es waren ganz andere Verhältnisse, auf die wir uns einstellen mussten“, sagte er. Als Beispiele nannte er unter anderem die Krankenhausseelsorge und den Religionsunterricht an Schulen. Heute habe in seinem Bistum nicht mehr jede Pfarrei einen eigenen Pfarrer, sondern es gebe ein Leitungsteam, weitgehend besetzt mit Ehrenamtlichen. Der Priester habe die Rolle eines geistlichen Begleiters und das pastorale Personal sei für mehrere Pfarreien einer Region zuständig. „Kirche hat Veränderung in ihrer DNA“, sagte Erichsen-Wendt. Das gelte auch für die Strukturen und Sozialformen, die es brauche um das Evangelium zu verkünden.
„Wir haben Regionen in unserem Bistum, wo die klassische Territorialgemeinde sehr lebendig ist und wo dies auch in den nächsten Jahren so bleiben wird“, sagte Gewand. Gleichzeitig gebe es aber auch Regionen, in denen genau das Gegenteil der Fall sei. Dort gebe es Schulen oder andere Orte zum Beispiel der Caritas oder Krankenhäuser, an denen das Evangelium sehr lebendig verkündet würde. „Es braucht Unterschiedlichkeit“, betonte Gewand. „Wir müssen erkennen, dass wir auf verschiedene Sozialformen setzen können, und diese dürfen in den Regionen auch unterschiedlich sein.“ Die Pastoralen Räume böten eine Chance, unterschiedlich im Sozialraum zu wirken. Dazu gehöre auch die ökumenische Perspektive. „Wir sind nicht mehr in der Position als katholische Kirche zu sagen, wir können das alles alleine gestalten“, erklärte Gewand. Vielmehr sei die katholische Kirche ein Akteur vor Ort, aber es gebe zudem viele andere Akteure. Daher böte es sich an, Dinge gemeinsam zu tun – auch mit nichtkirchlichen Einrichtungen. „Wenn man Kirche mit Gemeinde gleichsetzt, geht unheimlich viel verloren“, pflichtete ihm Prof. Dr. Katharina Karl bei. Dabei würde die Pluralität von Kirche aus dem Blick geraten.
Angst vor einem Veto aus Rom innerhalb des Strukturprozesses habe man in Münster nicht, sagte Gewand. Man bewege sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Um an den veränderten Rollen der Seelsorgenden zu arbeiten, gebe es sogenannte Werkstätten. Doch nicht nur die Rolle der Seelsorgerinnen und Seelsorger werde sich verändern, auch Ehrenamtliche und Mitarbeitende in den Verwaltungen seien davon betroffen. Wichtig sei, dass jeder seinen eigenen Erfahrungsschatz einbringe.
Lara Bergjohann