Juristentreffen zu Autonomie und Würde am Lebensende

, Bistum Münster

Unter dem Titel „Autonomie und Würde am Lebensende“ hat am 15. September das Juristentreffen des Bistums Münster in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster stattgefunden. Daran nahmen auf Einladung von Bischof Dr. Felix Genn und unter Corona-Bedingungen mehr als 100 Interessierte teil.

Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Juristentreffens kamen ins Gespräch (von links): Prof. Dr. Gernot Sydow (Vorbereitungskreis), Akademiedirektor Antonius Kerkhoff, Thomas Lobinger, Felix Genn, Philipp Lenz, Manfred Koopmann, Maria Kröger, Stellvertreterin des Direktors, und Antonius Hamers (Vorbereitungskreis). Foto: Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht

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Sie betrachteten das Thema aus medizinethischer und juristischer Sicht, mit Schwerpunkten auf den Aspekten Palliativversorgung und assistierter Suizid. Dazu hielten Prof. Dr. Philipp Lenz, Ärztlicher Leiter Zentrale Einrichtung Palliativmedizin am Universitätsklinikum Münster, und Prof. Dr. Thomas Lobinger, der einen Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Handelsrecht an der Universität Heidelberg innehat, Impulsreferate. Die anschließende Diskussion moderierte Manfred Koopmann, Präsident des Verwaltungsgerichts Münster.

Zur Begrüßung sagte Bischof Genn, das Thema sei schwierig, aber lebenswichtig. Einerseits sei es privat, andererseits seien alle betroffen und damit die Gesellschaft gefragt. „Im Hinblick auf das Engagement vieler Christinnen und Christen in der Sterbebegleitung, auf die grundsätzliche Würde des Menschen sowie auf den Umgang mit Leid ist das Thema für die Kirche höchst relevant“, machte der Bischof deutlich.

Lenz informierte über Geschichte sowie über Mythen und Fakten der Palliativmedizin. Außerdem erläuterte er, wann und wo palliativmedizinische Versorgung durchgeführt wird und erklärte Notwendigkeit sowie Hintergründe der palliativen Sedierungstherapie. Als oberstes Ziel der Palliativmedizin bezeichnete er „die Stärkung der Lebensqualität“. Daher solle man „ihrer frühen Einbeziehung bei entsprechender Diagnose im Klinikalltag mehr Rechnung tragen.“ Die Palliativmedizin sei keine Folgeversorgung und auch nicht nur für Sterbende, sondern laufe parallel und wende sich an alle Patienten/innen „mit weit fortgeschrittener Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung.“

Nach seinen Aussagen birgt die Palliativmedizin noch weitere Chancen. So könne sie die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod in der Gesellschaft fördern, zum Erhalt von Würde und Autonomie der Patienten/innen beitragen sowie Lebensqualität steigern und teils das Leben verlängern. Voraussetzung sei, dass sie rechtzeitig zum Einsatz komme.

Einen kritischen juristischen Blick warf Lobinger auf die Suizidhilfe-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom Februar 2020. Er erklärte, welche „Sollbruchstellen“ im Sinne von Mängeln in der Argumentation es beinhalte. So sei nicht ausreichend reflektiert worden, ob die Betroffenen im Zustand der Krankheit tatsächlich freiwillig im notwendigen Sinne entscheiden könnten. Auch habe das BVerfG unzureichend berücksichtigt, dass sich bei den Patienten/innen doch noch „lebensbejahende Kräfte“ aktivieren könnten. Insofern sei ein „Recht aus Suizid als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ zu verneinen.

Lobinger betonte, es entspreche dem Kern der Verfassung, wenn „Suizidbeihilfe nur in sehr engen Grenzen“ zulässig sei. „Nur so wäre dem Bau einer gedanklichen Brücke zur Anerkennung der Verfügungsgewalt Dritter über das Leben Anderer verlässlich die Grundlage entzogen“, sagte er.

Anke Lucht