„Die Jugendkirche ist ein Gefühl von Heimat“

, Stadtdekanat Münster

„Die Jugendkirche ist mehr als nur ein Gottesdienstraum – sie vermittelt ein Gefühl von Heimat“, sagt Jasmin Laudano. Seit August leitet die 36-Jährige die Jugendkirche in Münster. Welche Themen bewegen junge Menschen und wie zeitgemäß ist das Format Jugendkirche noch? Auf diese und weitere Fragen antwortet Jasmin Laudano im Interview.
 

Jasmin Laudano (2. von rechts) mit Jugendlichen und dem Team von "Frengels und Chef" von der Diokirche‘ in Krefeld.

© privat

Du bist seit einem knappen halben Jahr Leiterin der Jugendkirche Münster. Wie hast Du die ersten Monate in deiner neuen Funktion erlebt?

Ich wurde von meinem Team und den freiwillig Engagierten in der Jugendkirche Münster unglaublich herzlich empfangen und war direkt mitten im Geschehen. Programme planen, Gottesdienste gemeinsam mit Ehrenamtlichen vorbereiten oder ReferentInnen einladen – das alles war mir zum Glück aus meiner vorherigen Tätigkeit in der Stadtkirche und im Mentorat in Dortmund bekannt, was mir den Einstieg enorm erleichtert hat. 

Meine beiden Aufgaben – Leiterin der Jugendkirche inklusive des Café Lenz und Schulseelsorgerin an der Hildegardisschule – greifen gut ineinandergreifen. Ich bin direkt mit einer Klasse zu den Tagen religiöser Orientierung gefahren und habe die Schülerinnen und Schüler später im Café Lenz wiedergetroffen. Diese Kontakte sind mir sehr wichtig, genauso wie das Netzwerken in Münster. Es gab Treffen mit der Fachstelle Kinder, Jugendliche und Junge Erwachsene, der KSHG, dem BDKJ, dem Diözesan-Jugendseelsorger und dem Kirchenfoyer, um nur einige zu nennen. 

Ein echtes Highlight der ersten Monate war die Veranstaltung mit Frengels und Chef von der Diokirche‘ in Krefeld. Diese größere Veranstaltung zu organisieren und zu moderieren, war nicht nur eine besondere Aufgabe für mich, sondern hat auch online für viel Resonanz gesorgt. Es ist mein Wunsch, auch in Zukunft regelmäßig solche Highlights in unser Programm einzubauen.

 

Wie jung darf und wie alt muss man sein, um eine Jugendkirche zu leiten? Wollen die Jugendlichen eher eine klare Struktur oder möglichst ohne irgendwelche Vorgaben ausprobieren? Wie erlebst Du deine Rolle und wie nimmst Du Leitung wahr?

Die Frage, wie jung oder wie alt man sein sollte, um eine Jugendkirche zu leiten, hängt für mich nicht nur vom Alter ab, sondern auch von der Fähigkeit, sich auf die Lebenswelt junger Menschen einzulassen und sie ernst zu nehmen. Ich bin gerade 36 Jahre alt geworden. Momentan fühle ich mich in der Leitung sehr wohl und empfinde die Kombination aus Struktur und Partizipation als genau das Richtige für die Arbeit mit jungen Menschen.

In der Jugendkirche arbeiten wir sehr partizipativ. Unser Ziel ist es, die jungen Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten – häufig Studierende –, größtmöglich einzubeziehen. Hier arbeiten wir auf Augenhöhe, und viele Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. In anderen Bereichen wie in der Arbeit mit Schulklassen oder FirmbewerberInnen sind klare Strukturen nötig. Es liegt in meiner Verantwortung als Leiterin, die Prozesse zu koordinieren. Leitung bedeutet für mich also, einen Balanceakt zwischen Struktur und Freiraum zu gestalten: klare Vorgaben, wo sie notwendig sind, und größtmögliche Mitgestaltung, wo immer es möglich ist.
 

Jasmin Laudano ist seit einem halben Jahr Leiterin der Jugendkirche Münster.

© Bistum Münster

Wo siehst Du Chancen, wo Herausforderungen in deiner Arbeit in der Jugendkirche?

Die partizipative Arbeitsweise in der Jugendkirche ist eine unserer größten Chancen, aber auch eine Herausforderung. Der Vorteil liegt darin, dass wir durch die Einbindung der jungen Menschen sehr nah an ihrer Lebenswelt und ihren Bedürfnissen arbeiten. Sie bringen ihre Perspektiven, Ideen und Kreativität ein, wodurch unsere Angebote authentisch und relevant bleiben. Die Herausforderung dabei ist jedoch, dass partizipative Prozesse oft mehr Zeit und Abstimmung erfordern. Es erfordert Geduld, klare Kommunikation und viel Koordination.

Mein Ziel ist es, die Chancen weiter auszubauen, etwa indem wir neue Wege finden, unsere Angebote auch dezentral umzusetzen. Gleichzeitig sehe ich in der engen Zusammenarbeit mit anderen Stellen im Bistum großes Potenzial, um die Jugendkirche als Ort und Konzept weiter zu stärken und sichtbarer zu machen. Es bleibt also spannend, diese Balance zwischen Partizipation, Qualität und Machbarkeit immer wieder neu auszutarieren.

 

Was sind die Themen, die junge Menschen aktuell bewegen?

Die Themen spiegeln die Herausforderungen unserer Zeit wider, zum Beispiel die Zukunftsängste und die zunehmenden mentalen Belastungen, die viele Jugendliche erleben. Sie sorgen sich um ihre Zukunft, fühlen sich gestresst oder überfordert und suchen nach Orientierung und Entlastung. Die Jugendkirche möchte hier Räume schaffen, in denen junge Menschen Ruhe finden und Unterstützung erfahren können. Ein konkretes Angebot wird in der kommenden Fastenzeit die Reihe Exerzitien im Alltag sein. 
Ein weiteres wichtiges Thema ist der gesellschaftliche Zusammenhalt und die gelebte Diversität. Viele junge Menschen begegnen Vielfalt mit Offenheit und einer positiven Haltung. Projekte, die Inklusion fördern und gegen Diskriminierung wirken, sind hier besonders wichtig. Wir haben bereits mit der Queer-Gemeinde kooperiert und werden am Valentinstag gemeinsam einen Gottesdienst bei uns feiern. 

Und ich nehme wahr, dass sich junge Menschen in Zeiten der Unsicherheit auch nach spiritueller Orientierung sehnen. Angesichts der großen gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen suchen sie nach Wegen, mit Krisen und Unsicherheiten umzugehen. Religiöse Rituale, spirituelle Begleitung und Gemeinschaftsangebote können hier wichtige Ressourcen bieten, um Resilienz zu stärken und Halt zu geben.

 

Wie alt ist eure Zielgruppe? Über welche Kanäle erreicht ihr sie erfahrungsgemäß?

Unsere Zielgruppe lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen: Zum einen sind da die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, die sich aktiv bei uns engagieren und die Jugendkirche vor Ort mitgestalten. Diese Gruppe erreichen wir erfahrungsgemäß vor allem über Instagram. Gleichzeitig spielt der persönliche Kontakt eine große Rolle. Der authentischste Weg, neue Engagierte zu gewinnen, ist tatsächlich die Weiterempfehlung: Wenn Menschen, die sich bei uns wohlfühlen, neue Leute mitbringen. 

Die zweite Zielgruppe sind Schulklassen und Firmgruppen. Hier spielen neben unseren klassischen Kanälen weitere eine zentrale Rolle. Ganz konkret sind es vor allem die Multiplikatoren, also LehrerInnen, KatechetInnen oder Hauptamtliche. Unser Café Lenz ist beispielsweise ein wichtiger Anlaufpunkt für Schülerinnen und Schüler der Hildegardisschule oder des Adolph-Kolping-Berufskollegs, die ihre Pausen bei uns verbringen und so direkt vor Ort mit uns in Kontakt kommen. 
 

Die Jugendkirche besteht aus verschiedenen Arbeits- und Themenkreisen, die durch unser Forum koordiniert werden (hier beim Treffen eines Arbeitskreises).

© privat

Interesse am Mitmenschen versus Influencer, Andacht versus Festival, eine Stunde Gottesdienst versus Reel-Swiping: Wie bekommen die Jugendlichen den Spagat zwischen Alltag und Jugendkirche hin?

Das Interesse an Mitmenschen ist für mich die Grundvoraussetzung, um überhaupt als Pastoralreferentin und Seelsorgerin tätig zu sein. Ich verstehe mich in erster Linie als Begleiterin für Jugendliche und junge Erwachsene. Ihre Fragen, ihre Interessen und ihre Lebenswirklichkeit sind die Basis meiner Arbeit – ohne dieses ehrliche Interesse gäbe es keine Grundlage für Seelsorge oder für die Arbeit in der Jugendkirche.

Gleichzeitig bewegen wir uns in einer Zeit, in der es wichtig ist, nach außen zu zeigen, was wir tun. Jugendliche sind es gewohnt, ihre Aufmerksamkeit auf viele Dinge gleichzeitig zu verteilen. Hier kann die Jugendkirche ein Ort sein, der bewusst Gegenwelten bietet – Räume, die entschleunigen, in denen Begegnung möglich ist und in denen der Mensch im Mittelpunkt steht. Das bedeutet jedoch auch, dass wir als Jugendkirche sichtbar sein müssen und die jungen Menschen auf den Kanälen abholen, die sie tagtäglich nutzen.
Der Spagat zwischen Alltag und Jugendkirche gelingt Jugendlichen dann, wenn sie bei uns einen Raum finden, der authentisch ist. Einen Ort, an dem sie sich ernst genommen fühlen und der ihre Lebenswelt nicht ausblendet, sondern sie integriert.

 

Wie zeitgemäß ist das Format Jugendkirche? Passt das heute noch – „Kirche“ für Jugendliche an einem festen Ort?

Absolut zeitgemäß und relevant. Auch wenn Jugendliche heute mobiler sind und verschiedene Orte aufsuchen, merken wir immer wieder, wie wichtig ein fester Ort als konkrete Anlaufstelle ist. Besonders in Kombination mit dem Café Lenz entfaltet dieser Ort seine volle Wirkung. Viele unserer Veranstaltungen enden dort und der gemeinsame Austausch schafft nicht nur Gemeinschaft, sondern auch Beziehungen, die tragfähig sind und Vertrauen schaffen.

Die Jugendkirche ist mehr als nur ein Gottesdienstraum – sie vermittelt ein Gefühl von Heimat. Gerade unsere freiwillig Engagierten identifizieren sich stark mit der Jugendkirche und dem Café Lenz. Dass der Gottesdienstraum nicht nur von uns, sondern auch von Schulen und anderen Gruppen angefragt und genutzt wird, zeigt, dass die Jugendkirche ein lebendiger Ort ist, der aktiv genutzt wird und der jungen Menschen Raum gibt, Glauben und Gemeinschaft zeitgemäß zu erleben. Die Jugendkirche als fester Ort bietet Stabilität, Gemeinschaft und innovative Möglichkeiten, die viele Jugendliche in dieser Form anderswo nicht finden. Sie ist ein Ort der Begegnung, der Identifikation und der kreativen Gestaltung – und das macht sie heute so zeitgemäß wie eh und je.
 

Jasmin Laudano (rechts) inmitten einer Gruppe von Jugendlichen beim Adventssingen der Hildegardisschule in der Jugendkirche Münster.

© privat

Stichwort Digitalität: Welche Rolle spielt das Thema für die Jugendkirche? Wie bringt die Jugendkirche digitale Angebote und die digitale Lebenswelt junger Menschen zusammen?

Digitalität spielt in der Jugendkirche eine zunehmend wichtige Rolle. Intern nutzen wir digitale Tools bereits regelmäßig. Nach außen hin sind unsere digitalen Kanäle wie die Instagram-Seite oder die neue Homepage zentrale Bausteine, um unsere Angebote sichtbar und aktuell zu halten. Künftig werden zum Beispiel die Module für die Firmvorbereitung direkt online eingesehen und gebucht werden können. Außerdem bieten wir immer wieder konkrete digitale Formate an. Im Advent haben wir beispielsweise digitale Impulse veröffentlicht, die von unseren Ehrenamtlichen gestaltet wurden. Für die zweite Jahreshälfte planen wir digitale Gottesdienstformate, wie etwa einen Sway-Gottesdienst, der interaktive Elemente integriert. 

Unsere Aufgabe sehe ich darin, die digitale Lebenswelt junger Menschen ernst zu nehmen und mit unserer Arbeit zu verknüpfen. Digitale Angebote helfen uns, neue Zugänge zu schaffen und die Jugendkirche als Ort zu positionieren, der nah an der Lebensrealität der jungen Menschen ist und ihnen auch online Begleitung und Orientierung bietet. Ein Vorsatz fürs neue Jahr ist es, auch auf TikTok aktiv zu werden. Das haben sich die SchülerInnen tatsächlich besonders gewünscht, damit wir dort präsenter sind.

 

Gibt es nach deinem ersten halben Jahr schon Ansätze, die anders /neu sind?

Ein zentraler Punkt ist die Weiterentwicklung unseres Kreiskonzepts: Die Jugendkirche besteht aus verschiedenen Arbeits- und Themenkreisen, die durch unser Forum koordiniert werden. Bisher hatten wir sieben Kreise, mittlerweile sind zwei weitere hinzugekommen: der Kreis Jugendpastoral und der Kreis Liturgie. In letzterem geht es darum, die Art und Weise, wie wir Liturgie vor Ort feiern, noch einmal neu zu durchdenken. Ziel ist es, liturgische Formen bewusst weiterzuentwickeln und zu überlegen, welche neuen Angebote daraus für das kommende Jahr entstehen können. Der Kreis Jugendpastoral legt seinen Schwerpunkt auf Themen wie die Firmvorbereitung. Hier arbeiten wir an einem neuen Modulsystem, das feste Bausteine für FirmkatechetInnen bietet. 

Ein weiteres Ziel ist es, das Format Ask the Bishop neu zu gestalten. Zukünftig wird es Spotlight heißen. Dabei möchten wir ein Veranstaltungsformat entwickeln, das Elemente einer Late-Night-Show aufgreift – mit religiösen Impulsen, lockeren Spielen und viel Interaktion, sodass sowohl die Weihbischöfe als auch Firmgruppen auf Augenhöhe ins Gespräch kommen und optional weitere Gäste integriert werden können.

Ein weiteres spannendes Projekt des Kreises Jugendpastoral ist Jugendkirche on Tour, das wir in der zweiten Jahreshälfte 2025 starten werden. Am 12. September wird es eine große Auftaktveranstaltung bei uns vor Ort geben, bevor wir mit unserem Repertoire an den Niederrhein weiterziehen. Die Tour soll eine gelungene Mischung aus Musik, interaktiven Angeboten und Bausteinen bieten, die die Gruppen vor Ort nutzen können.

 

Wo legst Du Schwerpunkte in deiner Arbeit?

Die ersten fünf Monate waren vor allem durch das Netzwerken geprägt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kooperation mit dem Mentorat zum Thema Schulliturgie. Lehramtsstudierende mit dem Fach Katholische Religionslehre haben künftig die Möglichkeit, das, was sie in der Theorie lernen, bei uns vor Ort praktisch umzusetzen. 

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Vernetzung im Bereich Jugendliturgie. Gemeinsam mit Ralf Mayer planen wir für November nächsten Jahres ein Netzwerktreffen für Jugendliturgie auf der Burg. Ziel ist es, alle Akteure in diesem Bereich zusammenzubringen, um voneinander zu lernen, Best-Practice-Beispiele zu teilen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. 

Gleichzeitig ist es mir ein großes Anliegen, an der Basis präsent zu sein. Sie ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Jugendkirche ein lebendiger Ort bleibt, an dem junge Menschen sich willkommen fühlen, einbringen können und Unterstützung erfahren.

Das Interview führte Ann-Christin Ladermann.

 

Pressetext zum Interview mit Jasmin Laudano, Leiterin der Jugendkirche Münster