„Die Situation in unserem Land ist eine Katastrophe“

, Bistum Münster

Sie sind alt und müssen trotzdem den Müll auf den Straßen Syriens nach etwas Essbarem durchsuchen, um zu überleben. „Den Blick in den Augen dieser Menschen in meiner Heimat zu sehen, ist für mich der größte Schmerz“, sagt Julian Yacoub Mourad. Der syrisch-katholische Erzbischof von Homs, der 2015 international bekannt wurde, als ihn die Terrormiliz „Islamischer Staat“ aus einem Kloster entführte und mehrere Monate festhielt, macht am Rande eines Besuches in Münster Erschreckendes deutlich: Neun von zehn Menschen in Syrien leben unterhalb der Armutsgrenze, zwei Drittel der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. „Die Situation in unserem Land ist eine Katastrophe“, betont der Erzbischof im Gespräch mit Weihbischof Dr. Stefan Zekorn, Bischöflicher Beauftragter für die Weltkirche im Bistum Münster.
 

Erzbischof Julian Yacoub Mourad (Mitte) freut sich zusammen mit Elke Kleuren-Schryvers (APH) und Weihbischof Dr. Stefan Zekorn über die mobile Krankenstation.

© Bistum Münster

Exportierte Syrien vor dem Krieg noch Energie in Nachbarländer, sitzen die Menschen nun selbst im Dunkeln. „Wir haben vier Stunden Strom am Tag“, berichtet Erzbischof Mourad über seine Heimatstadt Homs, in der zwei Millionen Menschen zu Hause sind. „Bis auf wenige reiche Familien kann sich niemand in Syrien eine warme Dusche leisten“, fügt er hinzu. Nach Krieg, Naturkatastrophen und Wirtschaftsembargo sind die Menschen nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen. Weitere Gründe seien internationale Sanktionen und Korruption, die „sich wie ein Virus über das Land ausbreitet“ und „die Menschen unterdrücken möchte“. Immer mehr, darunter viele gut ausgebildete Frauen und Männer, würden das Land deshalb verlassen.

„Die Kirche ist die einzige Hoffnung für die Menschen“, erklärt der Erzbischof und nennt Beispiele für humanitäre Hilfe wie Lebensmittelpakete oder Mietbeihilfen – verbunden mit einem Dank. „Ich möchte mich ausdrücklich für die große Solidarität und Unterstützung bedanken“, betont Mourad mit Blick auf das Bistum Münster und die Aktion pro Humanität (APH) mit Sitz in Kevelaer. Letztere hatte bereits mehrfach konkrete Hilfe geleistet bei der Beschaffung von Decken und Schlafsäcken nach dem Erdbeben, von Medikamenten und Diesel zum Heizen. 

Vom jüngsten Hilfsprojekt konnte sich der Erzbischof selbst ein Bild machen: Ein zu einer mobilen Krankenstation umgebauter Mercedes-Sprinter, ausgestattet mit wichtigen medizinischen Geräten und sogar einem Stromgenerator, macht sich bald auf die lange Reise nach Syrien. Dort wird er in der Region Qaryatain, landschaftlich geprägt durch eine Steinwüste, täglich wechselnd fünf Städte anfahren und die medizinische Basisversorgung von rund 25.000 Menschen ermöglichen. Außerdem wird die APH für längere Zeit sicherstellen, dass der Lohn für einen Arzt, eine Krankenschwester und einen Fahrer bezahlt wird, so dass die mobile Krankenstation auch tatsächlich genutzt werden kann.

Erzbischof Mourad wünscht sich eine Perspektive für sein Land. Weil Europa „sehr sensibel im Hinblick auf Menschenrechte“ sei, schlägt er vor, auf vorhandene Strukturen der Kirche in Syrien aufzubauen und unmittelbar mit den Menschen vor Ort zusammen zu arbeiten. Eine Möglichkeit könne die Gründung von gemeinsamen Hilfsorganisationen sein. Eine gute Idee aus Sicht von Weihbischof Zekorn: „Wir müssen Wege finden, wie wir nicht das Regime, sondern die Menschen in Syrien unterstützen können.“ 

Mehr Informationen zur APH gibt es im Internet unter www.pro-humanitaet.de

Ann-Christin Ladermann