
Dr. Martin Zumbült
© PrivatAlles fließt – πάντα ρεῖ - wussten schon griechische Philosophen und sagen damit, dass sich alles verändert. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Auch das Feste ist flüssig, die Gewissheit ist ungewiss.
Diese Binsenweisheit wird dieser Tage so augenfällig wie selten. Da ist eine weltpolitische Lage, in der nichts mehr sicher ist. Die Demokratie in den USA verschwindet, Europa rüstet sich zum neuen Wettrüsten, der Nahe Osten steht vor dem Kollaps, und Russland will eine neue Weltordnung oktroyieren. Hier im Land muss eine neue Bundesregierung mit neuen (alten) Koalitionen gebildet werden. Die Neuverschuldung erreicht nie dagewesene Dimensionen, und über den Klimawandel wurde da noch gar nicht gesprochen.
Alles scheint unter die Schicksalsräder zu geraten. Man bekommt das Gefühl einer nicht enden wollenden Fastenzeit. Man mag schon keine Nachrichten mehr hören.
Und auch in der Kirche ist alles in Bewegung. Papst Franziskus ist schwer krank – von hier aus die besten Genesungswünsche! Unser Bischof ist in den Ruhestand getreten – von hier aus die besten Wünsche für den Ruhestand! Dr. Hamers ist Diözesanadministrator – von hier aus ein gutes Gelingen! Und gerade das letztgenannte Amt ist von aller Vorläufigkeit geprägt und fließt. Eine Zeit des Übergangs, des Wechsels und der Veränderung.
Das Alte hinter sich zu lassen und dabei den Mut aufzubringen, nach vorne zu schauen, ist einerseits im Kleinen eine alltägliche Herausforderung und andererseits im Großen und Ganzen oft eine Zumutung. An einem kirchlichen Gericht ist das tägliche Aufgabe: Menschen mit zerbrochenen Ehen und Lebensentwürfen bringen den Mut auf, ihre gescheiterte Ehe nach kirchlichem Recht auf ihre Gültigkeit hin überprüfen zu lassen, um mit dem Gewesenen abschließen zu können und nach vorne zu schauen: neue Beziehung, neuer Lebensentwurf, neue Pläne. Der Prozess ist für viele auch eine nervliche Belastung.
Für diesen Prozess wie für jede „Zwischenzeit“ hilft ein Auf- und Ausräumen, Leere und damit Platz für Neues zu schaffen. Dabei gilt es, zu prüfen, was man unbedingt behalten will und muss, und wovon man sich, wenn auch schweren Herzens, verabschieden muss. Das kann schmerzlich sein, ist aber langfristig meist heilsam. Dann kann eine Fastenzeit zum Frühjahrsputz werden. Dann bleibt das Leben im Fluss.
Damit ein Fluss aber fließen kann, braucht er ein festes Ufer, ein Bett und eine Richtung. Die Weltpolitik lehrt uns aktuell, was zum festen Ufer gehören muss, was für uns heute unaufgebbar ist. Wenn man einen Raum auf- oder ausräumt, müssen die Wände stehen bleiben. Wenn man einen neuen Lebensentwurf fasst, nimmt man sich selbst noch mit. Alles fließt – und doch fließt es auf einem Grund, in einer Bahn. Woraus diese Bahn besteht, mag jeder für sich selbst festlegen. Für einen Christen ist der Glauben sicherlich ein wesentlicher Bestandteil davon.