Drei Jahre Interventionsarbeit im Bistum

, Bistum Münster

Den Anliegen der Betroffenen sexuellen Missbrauchs Aufmerksamkeit zu geben, ist eine Kernaufgabe der Stabsstelle Intervention und Prävention im Bistum Münster. Drei Jahre nach deren Gründung haben die Verantwortlichen bei einer Pressekonferenz über den aktuellen Stand ihrer Arbeit informiert. Der Interventionsbeauftragte Peter Frings und Stephan Baumers, Mitarbeiter in der Interventionsstelle, berichteten über den veränderten Umgang des Bistums in Fällen von sexuellem Missbrauch, insbesondere mit Blick auf den Beraterstab, die Betroffenenbeteiligung und die Aufarbeitungskommission. Rund 180 Gespräche haben Frings und Baumers in den vergangenen Jahren mit Betroffenen geführt, gut 30mal informierten sie in Pfarreien und anderen Gremien über ihre Arbeit. 

Stephan Baumers (links) und Peter Frings (rechts) berichteten von ihrer Arbeit drei Jahre nach der Gründung der Interventionsstelle im Bistum Münster.

© Bistum Münster

Im April 2019 hatte das Bistum die Interventionsstelle als weisungsunabhängige Stelle eingerichtet, was bedeutet, dass auch der Bischof und der Generalvikar kein Weisungsrecht gegenüber dem Interventionsbeauftragten haben. „Das ist eine wichtige Voraussetzung für unsere Arbeit“, betonte Frings, der umfassenden Zugang zu allen Akten im Bistum hat, die bei Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs eingesehen werden müssen. Frings, zu dessen Aufgaben es auch gehört, in der Personalkonferenz des Bistums unmittelbar Bericht zu erstatten, wenn es Vorwürfe gegen Kleriker gibt, verdeutlichte mit Blick auf die Arbeit in den zurückliegenden drei Jahren: „Wir sind weder explizit Anwalt der Betroffenen noch Anwalt der beschuldigten Personen, aber Betroffene können sich darauf verlassen, dass wir ihre Anliegen ernst nehmen.“ 

Bei der Art und Weise, wie Betroffene beteiligt werden, beschreitet das Bistum einen besonderen Weg, erklärte Baumers einen Schwerpunkt seiner Arbeit. So unterstütze das Bistum Münster die Initiative einer selbst organisierten Betroffenenbeteiligung. „Uns ist es wichtig, erst gar nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass Betroffenenbeteiligung nur mit Zustimmung oder in Abhängigkeit vom Bistum möglich ist“, führte er aus. Vielmehr sollen und können Betroffene sich unabhängig vom Bistum organisieren, sich mit den Themen befassen, die ihnen wichtig sind und sich, so wie sie es für richtig halten, in der Öffentlichkeit positionieren. Das Bistum übernehme lediglich eine mit den Betroffenen abgesprochene dienstleistende Funktion und erstatte anfallende Kosten. 

Stephan Baumers, Mitarbeiter in der Stabsstelle Intervention und Prävention

© Bistum Münster

Im Bistum Münster gibt es drei externe, unabhängige Ansprechpersonen, an die sich Betroffene wenden können und die dafür – auf eigenen Wunsch – kein Honorar erhalten. Wer aber die Mitarbeitende der Stabsstelle Intervention direkt kontaktiert, wird nicht abgewiesen: „Wenn sich Betroffene überwinden, diesen Schritt zu gehen und sich uns gegenüber zu öffnen, nehmen wir dies ernst und gehen vertrauensvoll damit um“, erklärte Baumers. Viele Betroffene seien erleichtert, dass ihnen jemand zuhört, „dass jemand die Wut und den Schmerz aushält und nicht sofort in den Widerstand geht“, weiß er aus Gesprächen. „Das wird immer Kern unserer Aufgabe bleiben.“

Ebenfalls zuständig ist Baumers für die Anerkennungsleistungen des geschehenen Leids im Bistum Münster. 212 Anträge seien bislang eingegangen, rund 2,5 Millionen Euro habe das Bistum seit 2010 an Betroffene gezahlt. Hinzu kommen Therapiekosten in Höhe von knapp 292.000 Euro, für deren Umfang ein Konzept entwickelt wurde. „Ziel ist eine großzügige Übernahme von Therapiekosten, die über mögliche Leistungen einer Krankenkasse hinausgeht“, erklärte Baumers. 

Im Bistum Münster ist zudem zeitgleich mit der Gründung der Interventionsstelle ein unabhängiger Beraterstab installiert worden. Psychiater, Rechtsanwälte, Sozialpädagogen und weitere Experten, von denen niemand in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Bistum Münster steht, beraten den Bischof beim Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch und beim konkreten Vorgehen, wenn es entsprechende Meldungen gibt. Im Kampf gegen Missbrauch setzt das Bistum Münster zusammen mit dem Diözesancaritasverband auch auf eine Beratung zu sexualisierter Gewalt. „Wir verstehen Täterarbeit als Opferschutz“, sagte Frings. So hätten acht Beraterinnen und Berater in einer einjährigen Fortbildung ihre Kenntnisse im Umgang mit sexualisierter Gewalt zu erweitert. 

Peter Frings, Interventionsbeauftragter im Bistum Münster

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Anders als in anderen Bistümern hat sich die Interventionsstelle für eine unabhängige Aufarbeitung der Fälle sexuellen Missbrauchs im Bistum Münster eingesetzt. Wissenschaftler der Universität Münster haben die entsprechenden Akten ausgewertet, im Juni werden sie ihre Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche im Bistum Münster vorstellen. Die Ergebnisse werden auch den Verantwortlichen des Bistums erst bekannt werden, wenn sie von den Wissenschaftlern veröffentlicht wurden. In Kürze wird außerdem eine Aufarbeitungskommission berufen werden, die unabhängig vom Bistum Münster tätig sein wird.

Ann-Christin Ladermann