Elmar Brok zu Gast in der LVHS Freckenhorst

, Kreisdekanat Warendorf

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine geht weiter. Das Bedürfnis nach Einordnung und Austausch griff die Landvolkshochschule in Freckenhorst zusammen mit der Pfarrei St. Bonifatius und St. Lambertus anlässlich des Krüßingfestes auf. Am 9. Mai begrüßte sie dazu den CDU-Politiker Elmar Brok, der von 1980 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und damit der dienstälteste EU-Abgeordnete war. Wie kaum ein anderer deutscher Politiker kennt Brok, der Ukraine-Beauftragter unter der EU- Kommissionspräsidentschaft von Juncker war, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Er forderte in der voll besetzten Gartenhalle der LVHS die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit. Der russische Angriff könne weit über die Ukraine hinausgehen. „Das gilt es – auch aus deutschem Interesse – unbedingt zu verhindern.“ 

Moderiert von LVHS-Direktor Michael Gennert (rechts) kam Elmar Brok mit dem Publikum über Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sowie Konsequenzen und Perspektiven für Deutschland und Europa ins Gespräch.

© Bistum Münster

Brok setzte den Konflikt zunächst in einen historischen Zusammenhang und erinnerte an die Forderungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges: „Nie wieder Krieg“. Die mittel- und osteuropäischen Staaten hätten 1989/90 für sich die Freiheit gewählt. „Es geht ohnehin immer um Frieden und Freiheit“, betonte der Politiker. Auch die Ukrainer hätten 1991/92 in einer Volksabstimmung zu mehr als 90 Prozent entschieden, selbstständig sein zu wollen, und zwar in allen Landesteilen einschließlich der Krim. Der CDU-Politiker erinnerte an die zwei Grundsätze aus der Helsinki-Schlussakte von 1975: „Die Souveränität eines Staates und die Unverletzlichkeit der Grenzen dieses Staates. Letztlich sind dies Ergebnisse des Westfälischen Friedens.“

Die Ukraine habe sich in vielen Wahlen der vergangenen Jahrzehnte für ein buntes Land ausgesprochen, verdeutlichte Brok, der seit den 1990er-Jahren regelmäßig in die Ukraine reist und, wie er selbst sagt, „alle Wendungen im Land mitbekommen“ hat. So hätten die Ukrainerinnen und Ukrainer zwar immer pro-europäisch gewählt, aber niemals den Willen gehabt, eine anti-russische Politik zu betreiben. „Das hat Putin jetzt geschafft, jetzt gibt es diese Haltung im Land“, sagte Brok.

Der russische Präsident, so beobachtet es der Experte, fürchte sich besonders vor dem Demokratiewillen der jungen Ukrainer. „Das ist eine Bedrohung für sein Regime“, sagte Brok und spitzte weiter zu: „Eine freie, erfolgreiche Ukraine ist das Letzte, was Putin braucht, um an der Macht zu bleiben. Und seine Macht bröckelt. Deshalb hat er die Zügel angezogen.“ Der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses sieht auch eine Mitschuld Deutschlands an der Situation in der Ukraine. „Wenn Diktaturen etwas schreiben oder sagen, sollte man es ernst nehmen“, kritisierte er, dass niemand das Schreiben Putins im Sommer 2021 zur Kenntnis genommen habe. Wenn er heute höre, man dürfe sich aus historischer Verantwortung gegenüber Russland nicht auf die ukrainische Seite schlagen, könne er das nicht nachvollziehen. 

Scharfe Kritik übte Brok an den energiepolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre – und verschonte auch seine eigenen Partei dabei nicht: „Wir haben es fertig gebracht, eine 55-prozentige Abhängigkeit von Russland im Gas zu haben – schon ohne Nord Stream II.“ Mit Sorge beobachtet Brok Putins Ansage, das „alte Russland“ wiederherstellen zu wollen und dass er Anspruch auf eine Sicherheitszone erhebt. „Da erkennt man deutlich das alte imperialistische Denken“, mahnte Brok und betonte abschließend: „Ich würde mich deutlich wohler fühlen, wenn zwischen Russland und Deutschland eine freie Ukraine liegen würde. Aus tiefstem deutschem Interesse.“

Ann-Christin Ladermann