Felix Genn besucht Hauptschule Marl

Ertugrul ist ehrlich. "Ich kenn‘ mich mit Bischöfen nicht so aus, was machen Sie denn so?" fragt der Neuntklässler Bischof Dr. Felix Genn, als dieser am 29. April die Katholische Hauptschule Wiesenstraße in Marl besucht.

Genn erzählt ihm und der übrigen 9b gern von seinen Aufgaben, seinem Leben, seiner Berufung. Vor allem aber hört er zu: den Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften, der kommissarischen Schulleiterin Maria Schmidt.

Die Katholische Hauptschule Wiesenstraße ist eine von 14 Bekenntnishauptschulen im Bistum Münster. In Bekenntnisschulen werden Kinder nach den Grundsätzen des jeweiligen Bekenntnisses erzogen und nehmen laut nordrhein-westfälischem Schulgesetz an dessen Religionsunterricht teil, unabhängig von ihrer eigenen Religionszugehörigkeit. Das gilt auch für die 298 Schüler der Hauptschule Wiesenstraße, von denen nur 79 katholisch sind.

Auch Ertugrul ist kein Katholik, sondern Moslem. Seinem Interesse und dem seiner Klasse am Bischofsbesuch tut die unterschiedliche Religionszugehörigkeit keinen Abbruch. Engagiert befragen die Jugendlichen den Gast aus Münster, der mit Geistlichem Rat Clemens Lübbers als stellvertretendem Leiter der Hauptabteilung Schule und Erziehung des Bistums angereist ist. Nicht minder engagiert stellen sie ihren Besuchern eine Ausstellung zum Thema Kindersoldaten vor. "Die Schüler haben sie, angeregt von einem Gottesdienst zum Schwerpunkt Krieg und Frieden, selbstständig gestaltet", betont Religionslehrerin Nora Brendicke.

Genn staunt über die vielfältige Ausstellung, diskutiert, beantwortet Fragen. Dabei zeigt er Humor: "Ich sehe doch nicht aus wie ein kranker Bernhardiner, oder?" entgegnet er einem Schüler auf die Frage, ob seine Tätigkeit ihm Freude mache. "Nein, Sie sehen glücklich aus", bestätigt der Schüler, und Genn lächelt. Ernster wird er, als die Jugendlichen sich nach den Fehlern von Geistlichen etwa in Form von sexuellem Missbrauch oder einem nachlässigen Umgang mit Geld erkundigt. "Diese Fälle machen mir auch sehr zu schaffen, weil mein Ideal vom Priesterdasein ein ganz anderes ist", bekennt Genn. Dann kann er wieder lachen, als ein Schüler von ihm wissen möchte, ob er – Genn – Papst werden könne. "Falls das je passieren sollte, lade ich dich in den Vatikan ein", verspricht der Bischof. Nur die Frage, ob seine Familie bei ihm im Bischofshaus lebt, muss er lachend verneinen und erinnert an den Zölibat.

Interessiert diskutiert er mit den jungen Leuten auch ihre Berufswünsche und –perspektiven. "Gerade katholische Schulen sollten bei der Berufsorientierung viel unterstützen, begleiten und vielleicht auch vermitteln", meint Genn dazu. Er freut sich, dass ein großer Teil der Jugendlichen einen qualifizierten Realschulabschluss anstrebt.

Seine nächste Station liegt einige Stockwerke weiter oben im Musikraum. Dort üben Fünft- und Sechstklässler mit Lehrerin Angelika Claassen das Lied ,Vergiss es nie‘ ein. Ganz nebenbei hören sie im Liedtext von einem Gott, der sie genau so gewollt hat, wie sie sind, und der sie einzigartig geschaffen hat, als ein Geschenk Gottes an die Welt. "Aber ein Auto ist doch ein viel größeres Geschenk", wendet ein Schüler ein. So kommen auch diese Jüngeren schon in die Diskussion, erzählen der Lehrerin, warum sie sich reich fühlen oder welche eher traurigen ,Moll-Momente‘ sie schon erlebt haben. Der Bischof hört aufmerksam zu und singt dann mit – und das so kräftig, dass die Schülerinnen und Schüler spontan applaudieren.

Natürlich nutzt Genn den Vormittag auch zum Austausch mit der kommissarischen Schulleiterin Maria Schmidt, mit Schulseelsorgerin Eva-Maria Kordowski, mit Lehrer Heinz-Werner Tönnies und dem übrigen Kollegium. Dabei erklärt er sich als Anhänger der Hauptschule: "In solch einem überschaubaren System kann der Einzelne mit genau den Ressourcen gefördert werden, die er hat – das ist ein urchristlicher Gedanke." Zugleich zeigt sich der Bischof offen für die Überlegungen der Stadt Marl, die Bekenntnisschule – die demnächst die einzige Hauptschule im Stadtgebiet sein wird – in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln. "Das muss nicht heißen, dass hier keine christlichen Werte mehr gelebt und vermittelt werden", findet er. Die Aufhebung des Bekenntnisses, erklärt Schmidt, könne ein wichtiger Schritt sein, den seit 2012 vakanten Posten der Schulleitung zu besetzen, denn dann kämen auch nicht katholische Bewerber in Betracht.

Ein weiteres Thema ist die Inklusion. "Sie ist ein wichtiges Ziel, aber auch die Inklusion muss sich an den Möglichkeiten des einzelnen orientieren und denen gerecht werden", erklärt Genn im Gespräch mit dem Kollegium. Und lobt abschließend noch einmal die Überschaubarkeit der Schule und deren daraus resultierenden Charakter: "So ein familiäres, bergendes Umfeld fördert diejenigen, die in größeren Systemen untergehen würden."

Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de