Franz Müntefering bei ‚Marienschule im Dialog‘

Das Miteinander der Generationen und die Frage, wie Menschen insgesamt miteinander auskommen, thematisierte der bekannte SPD-Politiker und frühere Vizekanzler Franz Müntefering am 25. November in der Marienschule in Münster.

"Wir werden weniger, wir werden älter, und wir werden bunter", fasste der 74-Jährige bei der Veranstaltung ‚Marienschule im Dialog‘ die Generationenentwicklung Deutschlands zusammen.

Müntefering sprach den demografischen Wandel an, der sich nur deshalb noch nicht so stark auswirke, weil "wir länger leben." Dennoch drehe sich die Spirale. Voraussichtlich 2050 würden in Deutschland etwa zehn Millionen Menschen weniger als heute leben. Zugleich sei das steigende Alter eine Herausforderung für den Sozialstaat. "1965 kam auf sechs Menschen im Erwerbsalter einer im Rentenalter, heute ist das Verhältnis drei zu eins, 2030 wird es bei zwei zu eins liegen. Dann funktioniert das System nicht mehr", betonte Müntefering.

Dass die Gesellschaft bunter werde, zeige sich nicht nur in der steigenden Zahl der Menschen, die aus anderen Kulturen kommen, sondern auch in der sich verändernden Mobilität. "Die Familien wohnen nicht mehr so nah zusammen", sagte Müntefering, "trotzdem ist die Familie noch die entscheidende Größe, Familien halten zusammen!" Er fragte, wie viel Mobilität und Einwanderung zugelassen werden dürften, um die Gesellschaft stabil zu halten. "Man muss verantwortungsbewusst damit umgehen, aber darf die Tore nicht verschließen", sagte er.

Ein weiterer, zentraler Aspekt ist für Müntefering die Bildung. Von ihr hänge die Leistungsfähigkeit des Landes und der Gesellschaft ab. "Jedes Jahr verlassen 60.000 Menschen ohne Abschluss die Schulen. Wir bekommen es nicht organisiert, den Jugendlichen zu helfen", betonte Müntefering. Der 74-Jährige forderte, sich bereits bei den Kleinsten dafür zu engagieren, dass alle einen Platz in Kita oder Krippe bekommen. Zugleich betonte er, dass sich viele Eltern eine gute Zukunft für ihre Kinder wünschen: "Aber was ist eine gute Zukunft?" Nicht immer sei das Studium der richtige Weg. "Die duale Ausbildung ist keine randständige Veranstaltung, die Kombination von praktischer Ausbildung und Studium ist wichtig", betonte er. Zentral sei, die jungen Menschen zu begleiten, "und das ohne Hetze, denn sie müssen die Voraussetzungen erlernen, mit denen sie unsere Gesellschaft weiterführen können."

Auch auf den künftigen Mangel an Arbeitskräften ging Müntefering ein: "Dann kommt die Wertschätzung der Berufe ins Spiel und die Frage danach, wo wir die Menschen brauchen." Die Entlohnung vor allem in der Pflege entspreche oft nicht dem, was die Menschen leisten, und auch die Wertschätzung des Berufes sei im Vergleich gering. Müntefering forderte, das Potenzial der Gesellschaft zu nutzen, jungen Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen und darauf zu achten, dass die ältere Generation nicht zu früh aus dem Berufsleben ausscheidet. Kämen zusätzlich Arbeitskräfte aus anderen Ländern, sei der Wandel machbar. "Ob man Verantwortung in der Gesellschaft hat und übernehmen kann, ist keine Frage des Alters", erklärte der frühere Politiker. Er widersprach der Vorstellung, mit dem Austritt aus dem Berufsleben nichts mehr mit dieser Verantwortung zu tun zu haben. "Stattdessen können ältere Menschen Patenschaften übernehmen, Nachhilfe geben oder sich stundenweise der alten Firma zur Verfügung stellen", sagte der 74-Jährige.

In der Fragerunde wollte Schülersprecherin Lara Engbert von Müntefering wissen, wie er dazu stehe, dass Kinder zunehmend unter Erwachsenen groß werden. "Kinder brauchen Kinder", betonte dieser. Es sei wichtig, dass Kinder früh Inklusion und Interkulturalität erlebten und voneinander lernten. Der Umgang untereinander sei ein anderer als unter Erwachsenen.

Wie Müntefering das unterschiedliche berufliche Selbstverständnis der Generationen bewerte, fragte Schulleiter Arno Fischedick. "Es macht keinen Sinn, objektive Veränderungen zu ignorieren, es kommt darauf an, sie zu gestalten", entgegnete Müntefering. Nachhaltigkeit sei entscheidend: "Hat man den Mut, Dinge zu tun, die morgen und übermorgen wichtig sind, oder verschleppt man die Dinge, weil man sich scheut?" Außerdem solle man im Alter von 40 bis 50 Jahren den Beruf wechseln können. "Man muss sich davon trennen, dass man Menschen in einem Beruf so lange arbeiten lässt, bis sie kaputt sind", erklärte Müntefering. Irgendwann sei man aus der Hochleistungsphase heraus. Deshalb sei das feste Rentenalter fragwürdig.

Zuletzt bat Schülersprecherin Noemi Demwerth Müntefering, den Schülerinnen etwas mit auf den Weg zu geben. "Das wichtigste ist, dass junge Menschen etwas wollen und Erwartungen an das Leben haben", sagte der 74-Jährige. Sie sollten sich einmischen und dem Impuls folgen, etwas zu verändern. "Versuchen Sie, dass die Welt so wird, wie Sie sich das wünschen."

Text: Bischöfliche Pressestelle
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