Frauen in ihrer Unabhängigkeit und Würde stärken

, Bistum Münster

In vielen Ländern sind Frauen der Motor für Entwicklungen zum Besseren – und das können sie umso besser sein, je wahrnehmbarer und sichtbarer sie sind. Genau dafür engagiert sich das Projekt „mujeres al viento“ (deutsch: Frauen im Wind) im mexikanischen Oaxaca. Unter anderem bei der Eröffnung der Weihnachtsaktion 2022 des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, die im vergangenen Dezember in Münster stattfand, hat das Projekt auch finanzielle Unterstützung aus dem Bistum Münster erfahren. Wie diese erfolgreich eingesetzt wird, darüber hat sich kürzlich bei einer Mexiko-Reise Judith Wüllhorst, Leiterin der Fachstelle Weltkirche des Bistums Münster, informiert.

Zu Gast bei den „Frauen im Wind“: Judith Wüllhorst (links) informierte sich bei Paula Reguiro (rechts) und ihren Mitstreiterinnen.

© Bistum Münster

Wüllhorst traf Paula Regueiro. Sie dürfte auch Menschen aus Münster, Osnabrück und dem Umland bekannt sein, zumindest buchstäblich vom Sehen: Regueiro ist eine von 24 Frauen aus sieben Jahrhunderten, deren Porträts parallel zur Adveniat-Eröffnung im Rahmen des Projekts „(Un)Sichtbare Frauen“ an die Fassade des St.-Paulus-Doms Münster und des St.-Peter-Doms Osnabrück projiziert wurden. Die Katholische Hochschulgemeinde (KSHG) Münster unter Federführung von Eva Maria Köster und Anne van Weegen hatte dabei in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Weltkirche in Münster und Osnabrück Frauen vorgestellt, die mit ihrem Wirken die Welt verbessert haben (Infos zum Projekt und den Frauen gibt es unter www.kshg.de/unsichtbare-frauen).

Dazu gehört Paula Regueiro zweifellos. Die Aktivistin und ihre Mitstreiterinnen informierten Judith Wüllhorst über die Arbeit von „mujeres al viento“. Als Teil der Frauenorganisation GEM existiert die Initiative seit 2011 in San Partolo Coyotepec, einem Vorort von Oaxaca. Koordinatorinnen sind sechs Frauen unterschiedlichen Alters. Mit ihrem Engagement möchten sie die Frauen der Region stärken und über ihre Rechte informieren. Dabei nehmen sie die Gewalt gegen Frauen besonders in den Blick. Sie übersteigt in Oaxaca noch den ohnehin vergleichsweise hohen mexikanischen Durchschnitt: Jährlich gibt es etwa 600 Morde, denen Hass an Frauen zugrunde liegt (Femizide), allein in diesem Bundesstaat.

Bei den „mujeres al viento“ erhalten Betroffene psychologische und psychische Begleitung, bei Bedarf auch juristischen Beistand. „Es geht um eine Stärkung der Frauen in ihrer Unabhängigkeit und darum, ihnen zu zeigen, dass sie wertvoll sind, dass sie eine unantastbare Würde haben und ihr Leben selbstbestimmt in die Hand nehmen können“, sagt Regueiro.

Zu diesem Zweck veranstaltet die Initiative auch Gesprächsrunden – freilich ohne bei deren Ankündigung das Thema konkret zu benennen. Denn viele Frauen trauen sich ohne Einverständnis ihrer Ehemänner nicht, zu den Treffen zu gehen. Wenn aber bekannt ist, dass es bei dem Treffen um Stärkung von Frauen geht, würden die meisten Männer mit einer Teilnahme ihrer Partnerinnen nicht zulassen. So schieben nach Regueiros Erfahrung viele Frauen beispielsweise Rosenkranzgebete als Anlass vor.

Auch sonst erleben die „mujeres al viento“ immer wieder Anfeindung, von Männern ebenso wie von manchen Frauen, die sich vor Männern profilieren oder die eigene Realität nicht anerkennen möchten. Eine der Aktiven musste sogar die Stadtverlassen.

„Die Männer haben Angst, denn sie wissen, dass sie ihre Privilegien verlieren werden“, sagt dazu Leti, eine der Aktivistinnen, „sie sagen mir, ich solle nicht so viel fordern, solle angepasster, diplomatischer sein – aber ich habe keine Lust ruhig zu sein, ich möchte den Mund aufmachen und mich für mehr Gerechtigkeit einsetzen.“ Auch werfen Männer ihr vor, „loco“ (deutsche: verrückt) zu sein: „Aber das einzige, was mich verrückt macht ist dieses System, in dem Frauen immer wieder Opfer von Gewalt werden, in dem Frauen nicht mitgestalten können.“

Wie Leti und Paula Regueiro berichten, ist bei den teilnehmenden Frauen auch die Angst vor sozialer Ächtung ein Thema. Der gesellschaftliche Druck sei sehr hoch, an vielen Stellen sei auch die katholische Kirche, der die Frauen alle angehören, ein Teil des Problems. Immer wieder hören sie von Priestern, die von Gewalt betroffenen Frauen empfehlen, zu vergeben und ihr Los anzunehmen, ähnlich wie die Gottesmutter Maria, die demütig alles erträgt.

Vor diesem Hintergrund weiß Paula Regueiro: „Das Schwierigste ist oft, die Frauen davon zu überzeugen, dass sie viel gewinnen können.“ Sie stellt aber auch heraus: „Wir kämpfen für eine Veränderung, wir wollen nicht, dass Frauen ihre Männer verlassen, oder dass Frauen über den Männer stehen, wir wollen nur, dass sie die gleichen Rechte bekommen, dass sie keine Angst mehr haben müssen.“

Dieses Anliegen wird aus dem Bistum Münster unterstützt: Judith Wüllhorst hatte eine Spende in Höhe von 8.000 Euro im Gepäck. Diese waren bei dem Projekt „(Un)Sichtbare Frauen) durch den begleitenden Postkartenverkauf und Spenden zusammengekommen.