Gläubige im Bistum Münster antworten auf Fragen des Vatikan zu Ehe und Familie
Viele Gläubige im Bistum Münster wünschen sich, dass die Kirche die Lebenswirklichkeit der Menschen und ihre Lebensentwürfe besser wahrnimmt und sich stärker als Dialogpartner zeigt. Das belegen die Antworten, die nun zum Fragenkatalog des Vatikan zur Vorbereitung der Bischofssynode zum Thema "Ehe und Familie" vorliegen.
Bischof Dr. Felix Genn hatte diese Fragen Mitte November an die Mitglieder des Diözesanrates (das oberste synodale Mitwirkungsgremium im Bistum) und des Diözesankomitees der Katholiken (das oberste Laiengremiun in der Diözese) weiter gegeben. Zudem haben auch einige Verbände, Gruppen und Einzelpersonen die Fragen beantwortet. Die Bischofssynode findet im Oktober 2014 in Rom statt. Sie steht unter dem Thema "Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung."
Aus den Antworten, die beim Bistum Münster eingegangen sind, geht hervor, dass für viele Menschen die kirchliche Lehre im alltäglichen Leben keine Bedeutung hat und offensichtlich oft an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht. Hauptkritikpunkte an der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie sind der Umgang der Kirche mit der Unauflöslichkeit der Ehe, die kirchliche Sexualmoral, die der Kirche unterstellte Reduzierung von Ehe und Partnerschaft auf Kindererzeugung und das Einstehen der Kirche für ein ‚traditionelles’ Familienbild. Kritisiert wird weiter, dass die "Grundsätzlichkeit" kirchlicher Lehrschreiben einen Dialog verhindere. Stattdessen gibt es ein Votum dafür, dass "die Kirche für die von ihr vertretenden Werte werben sollte anstatt reglementierend und sanktionierend vorzugehen."
Auch die Sprache kirchlicher Lehrschreiben wird als "kompliziert, unverständlich und lebensfern" wahrgenommen. Wenn etwa die Kirche das Zusammenleben vor Paaren vor der Ehe als "irregulär" bezeichnet, so wird diese Ausdrucksweise "wegen der in ihr enthaltenen Abwertung" in den Antworten abgelehnt. Auch im Blick auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften wird in den Antworten betont, dass diese "nicht isoliert, ausgegrenzt oder als Sonderfall behandelt werden" sollten. Vielmehr müssten diese einen Platz in der Kirche finden, da auch hier "Menschen einander in Liebe zugetan sind und Verantwortung füreinander übernehmen." Gleichzeitig geht aus der Umfrage hervor, dass Werte wie "Treue" von den Befragten befürwortet werden und dass Ehepaare und Familien durchaus als Beispiele für gelebte Treue, gegenseitige Hilfe und Beistand wahrgenommen werden.
Auch getrennt Lebende und wiederverheiratete Geschiedene, so heißt es in den Antworten, seien eine Lebensrealität, denen – wie es auch der Pastoralplan des Bistums Münster vorsieht – mit Barmherzigkeit begegnet werden müsse. Viele praktizierende Katholiken erlebten den Ausschluss von den Sakramenten nach einer gescheiterten Ehe als Strafe. Ohne eine "einladende Antwort" an diese Menschen werde die Glaubwürdigkeit der Kirche weiter sinken, heißt es in den Antworten. Es wird dafür plädiert, dass es eine Pastoral des individuellen Weges vor Ort geben müsse, die "niemanden ausschließt und Lösungen sucht."
An die Ehe- und Familienpastoral wird die Erwartung geäußert, dass sie von den Lebensphasen, Lebenswirklichkeiten und vielfältigen Familienformen ausgehen und Alltagsbegleitung leisten solle. Es gehe darum, "Menschen zu ermutigen und zu befähigen, ihren eigenen Weg zu gehen und dabei als Kirche einladend zu bleiben", heißt es. Auch eine intensive Begleitung in der Ehevorbereitung wird empfohlen. Positiv bewertet wird, dass Ehepaare in der Krise in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Bistums eine "professionelle Begleitung" finden. Auch die Caritas wird als Verband gewürdigt, der Menschen in Not begleitet.
Für Pater Manfred Kollig, den Leiter der Hauptabteilung "Seelsorge" im Bischöflichen Generalvikariat in Münster zeigen die Antworten, "wie sehr in Fragen zu Ehe und Familie katholische Ideale und katholische Wirklichkeit auseinanderklaffen". Daraus ergeben sich für Pater Manfred zwei Fragen, auf die die Kirche eine Antwort finden müsse: "Welche Ehe- und Familienideale vertreten wir in Zukunft, weil sie in der Heiligen Schrift begründet sind? und Wie können wir für solche Ideale werben, uns von anderen Idealen verabschieden und vor allem auch in der Nähe der Menschen sein, deren Leben in Beziehung nicht ‚ideal’ verläuft?" Über diese Fragen müsse Kirche gemeinsam nachdenken und "innerlich frei im Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes nach Antworten suchen."
Pater Manfred Kollig:
Text: Bischöfliche Pressestelle
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Foto: Dialogverlag Münster