Gottesdienste feiern in Zeiten des religiösen Pluralismus

Der religiöse Pluralismus der Gegenwart stellt die christlichen Liturgien vor neue Fragen. Mit den damit verbundenen Herausforderungen beschäftigte sich eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft katholischer Liturgiewissenschaftlerinnen und Liturgiewissenschaftler eV (AKL).

Sie fand von Montag bis Freitag (1. bis 5. September 2014) in der katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster statt.

In den Vorträgen evangelischer und katholischer Theologen und Theologinnen wurde deutlich, dass sich die Kirchen bei der Gestaltung ihrer Gottesdienste angesichts des Pluralitätsparadigmas neuen Fragen stellen müssen. Denn längst nehmen an kirchlichen Liturgien nicht mehr allein Menschen teil, die getauft sind, sich aktiv am kirchlichen Leben beteiligen oder kirchlich sozialisiert sind. Die Glaubensinhalte, die die Liturgie feiert, Grundvollzüge der Liturgie, sind deshalb vielen Mitfeiernden fremd oder gar nicht bekannt. Eine echte, aktive Teilnahme ist damit schwierig.

Die Herausforderung ist also, auch ein anfanghaftes, ungeübtes Mitfeiern der Gottesdienste theologisch als "geistgewirkt" zu akzeptieren. Der Kölner Theologe Dr. Friedrich Lurz warnte davor, von den Mitfeiernden eine "Totalidentifikation" zu erwarten. Den Rahmen für Sakramentalität – egal, ob als Denk- oder als Vollzugsform – bilde heute der "expressive Individualismus", so Prof. Dr. Veronika Hoffmann. Menschen folgten ihrem je eigenen Weg spiritueller Eingebung. Dennoch sei, so die Siegener Theologin, Sakramentalität als "Grunddeutung der Wirklichkeit" anschlussfähig an die "Spiritualität der Suche".

Dass man unter gewandelten Voraussetzungen die eigene Liturgie neu sehen lernen kann, zeigte Prof. Dr. Andreas Odenthal, Liturgiewissenschaftler in Tübingen. Die Kirche stehe vor der Herausforderung, christliche Rituale in einen nichtreligiösen wie auch multireligiösen Kontext zu stellen. Zugleich müsse sie sie innerkirchlich als christliche Rituale neu kennenlernen und wertschätzen. Odenthal wie auch andere Referenten betonten, das Besondere, Eigene christlicher Liturgie dürfe dabei nicht aufgegeben werden. Es sei vielmehr mit Bezug auf das Leben der Feiernden hin auszudrücken. Liturgie ist Begegnung mit der Transzendenz.

Was "Inkulturation" heute bedeuten kann, zeigten Prof. Dr. Albert Gerhards, Bonn, und der katholische Militärdekan Georg Pützer am Beispiel der Militärseelsorge. Hier geschehe religiös-liturgische Erinnerungskultur angesichts von Katastrophen. Der Seelsorger sei gefordert, den christlichen Glauben in schwierigen Lebenssituationen zu bekennen, Liturgie mit ihrer diakonischen Stärke zur Sprache zu bringen und zugleich mit möglicherweise Nichtinitiierten zu feiern. Die Unterscheidung von Kernliturgien und marginalen Liturgien, aber auch von Trägern und Gästen in der Liturgie stehe dann in Frage.

Die Zahl derer, die als sogenannte "Kasualchristen" auch an die katholische Kirche herantreten, wächst. Die Kirche wird ihr Können in unterschiedlichen Seelsorgefeldern ins Spiel bringen, sich aber auch mit anderen Akteuren zusammentun müssen, wie Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau, Marburg, mit Blick auf Liturgien bei Krankheit, Sterben und Tod zeigte. Die Kirchen müssten ihre Netzwerkkompetenz stärken, um auch mit ihren Liturgien in die Gegebenheiten modernen Lebens hineinwirken zu können. Die Tagung in Münster zeigte: Das bedingt einen Perspektivenwechsel auf Liturgie und Gegenwartskultur, aber auch ein verändertes theologisches Selbstverständnis.

Bei ihrer Jahrestagung wählte die AKL Prof. Dr. Benedikt Kranemann, Universität Erfurt, für weitere vier Jahre zu ihrem Vorsitzenden. Als sein Stellvertreter wurde erneut Prof. Dr. Albert Gerhards, Universität Bonn, bestimmt.

Text: Bischöfliche Pressestelle
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