„Jede Jeck is anders“ – nicht nur an Karneval

, Bistum Münster

Themen gibt es viele, Meinungen noch mehr. Nicht immer werden sie sachlich vorgebracht und ausgetauscht. Und viel zu oft bestimmen Empörung, Negativität, Ich-Bezogenheit und gegenseitige Attacken die Diskussionen. „Die Montagsmeinung“, das Meinungsformat des Bistums Münster, soll hier ein anderes Zeichen setzen. Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kirche, die sich dem Bistum verbunden fühlen, setzen sich darin mit Themen auseinander, die für sie und andere relevant und aktuell sind. Die Autorinnen und Autoren lassen es aber nicht bei Klagen und Kritik. Sie haben vielmehr konstruktive Ideen und Lösungsansätze. Diese teilen sie mit uns an dieser Stelle alle 14 Tage montags.

Am Rosenmontag geht es auch bei der Montagsmeinung – dem Meinungsformat des Bistums Münster – närrisch zu. Verfasst hat den Beitrag Mirijam Held, Pastoralreferentin in zwei Pfarreien im Duisburger Westen. Vor ihrer praxisbegleitenden Ausbildung hatte sie Landschaftsökologie studiert und als Jugendreferentin gearbeitet. Jüngst absolvierte sie eine Fortbildung zur Kirchenclownin.

Mirijam Held ist Pastoralreferentin in zwei Pfarreien im Duisburger Westen. Jüngst absolvierte sie eine Fortbildung zur Kirchenclownin.

© Privat

„Jede Jeck is anders“ heißt die rheinische Redensart. Jeder und jede ist anders verrückt. Und das ist das Lebenswerte. Jeder und jede ist, wie er oder sie ist, und das darf auch so sein. 

Ich bin gerne an Karneval unterwegs. Ich verkleide mich gerne und schlüpfe in andere Rollen, gebe mich mal anders, als ich im Alltag bin. Bin ich sonst leise, kann ich laut sein. Bin ich sonst lieb und zuvorkommend, kann ich mal eine Bösewichtin sein. Ich kann sein, was ich will, und in ausgelassener Stimmung mit Fremden Arm in Arm schunkeln, laut lachen und singen. 

In dieser Zeit, in der fünften Jahreszeit, kann und darf man das innere Clownswesen rauslassen. Ich würde es mir sogar wünschen! Denn ein/e Clown/in hat einen unvoreingenommenen Charakter, besitzt die zweite Naivität – eine Naivität wie ein Neugeborenes. David Gilmore schreibt in seinem Buch „Der Clown in uns“, dass unsere Kernerfahrung ist: Wir leben. Zuerst ist das Leben, und er nennt alles, was ist, die „Null“. Erst danach wird das Leben durch uns geprägt. Wir sind an einem bestimmten Ort geboren, lernen eine bestimmte Sprache und Kultur, bekommen von unseren Eltern oder der Gesellschaft, in der wir leben, gesagt, wie wir leben sollen. Hierdurch sind wir geprägt, wie wir unsere Mitmenschen sehen. „Jede Jeck is anders“ passt dann vielleicht nicht mehr zu meinem Welt- und Menschenbild, „weil die Prägung durch Kultur und Familie dazu führen, dass wir oft nicht den Menschen an sich sehen, der lebt, sondern das Was, Wie und Woher. Wir übernehmen Meinungen über die damit verbundenen Unterschiede und trennen uns voneinander“, so schreibt Gilmore. 

Der oder die Clown/in erinnert uns aber an das Leben, das uns eint. Sie erinnern uns an die „Null“ – eine offene, ungeprägte Sicht auf das Leben, auf alles, was ist. Sie erinnern uns daran, dass das Leben das wichtigste ist, „nicht unsere besondere Auffassung davon und nicht die eigene Wichtigkeit. Sie erinnern uns an die Lebenslust und Lebensfreude.“ 

Das passt doch perfekt zur Karnevalszeit! Lassen wir unseren Jeck und unsere Jeckin heraus, setzten wir alles auf „Null“ und begegnen unseren Mitmenschen und der Welt mit einer offenen Einstellung, mit Staunen und mit Neugierde. Der und die Clown/in springt mitten hinein ins Leben, mitten in die Katastrophe; neugierig, direkt und entwaffnend in die Welt. Alles wird als großes Wunder betrachtet und mit sensibler Aufmerksamkeit ganz im Augenblick wahrgenommen. Dieses Clowneske, dass wir auch an Karneval erfahren können, sollten wir uns aufbewahren für unser alltägliches Leben. Ich glaube, wir wären entspannter, empathischer und unvoreingenommener in der Welt unterwegs, und einige Probleme würden sich lösen bzw. gar nicht erst entstehen. 

Setzen wir unser Leben hin und wieder bewusst auf „Null“ und gehen natürlich, echt, lebendig und spontan auf andere Menschen zu. Mit Worten von David Gilmore: „Die Null ist also das Leben, das Lebendige in uns – und das Leben lacht.“ In diesem Sinne allen ein lachendes und fröhliches „Helau“ und „Alaaf“! 

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