Spontan wurde der Kardinal mit Applaus begrüßt, nachdem Wallfahrtsrektor Stefan Dördelmann ihm, auch im Namen von Bischof Dr. Felix Genn, für seinen vielfältigen Dienst während der Weltsynode in den vergangenen Wochen gedankt hatte. In seiner Predigt stellte er die Botschaft in den Mittelpunkt, dass das „Volk der Getauften“ bei Jesus zum „Volk Gottes“ werde, das zur Heiligkeit berufen ist. „Wenn Jesus uns ansieht, dann sieht er unsere ganze Geschichte. Die Verletzungen, Streit, Hass, Leid, Frustration, Krankheit und Trauer. Durch den Blick Jesu aber schmilzt das Schlechte hinweg und was bleibt, das ist das Gute im Menschen“, sagte der Kardinal. „Die normale menschliche Erfahrung, mit allen Höhen und Tiefen, wird von Gott anerkannt“, betonte er.
Mit Bezug auf die Lesung aus der Bergpredigt und die dort von Jesus gesprochenen Lobpreisungen erklärte er: „Maria mir ihren reichen menschlichen Erfahrungen stehen alle Seligpreisungen zu. Wir können uns vor Maria versammeln, die uns zu Jesus führt.“ Die Pilger wollten mit „den Wirren und Tiefes des Lebens“ Heil erfahren und Sinn spüren. „Bei Gott ist nichts unmöglich, das hat Maria erfahren. Und sie möchte, dass auch für uns nichts unmöglich ist“, sagte Hollerich, der zum Ende des Gottesdienstes in der Basilika den Päpstlichen Segen spendete. Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst durch die Chöre der Basilikamusik Kevelaer unter Leitung von Dominik Giesen sowie Basilika-Organist Elmar Lehnen an der Orgel.
In Kevelaer blicken die Verantwortlichen zufrieden auf die Wallfahrtssaison zurück. „Die Zahl der angemeldeten Gruppen ist stabil auf dem Niveau, das wir vor Corona hatten“, sagt Geschäftsführer Dr. Rainer Killich. Allerdings sei es unmöglich, belastbare Gesamtzahlen der Pilgernden zu nennen. „Es gibt keine Pflicht, sich bei uns anzumelden“, sagt Killich lächelnd, „in Gesprächen auf dem Kapellenplatz stellen wir aber fest, dass die Zahl der Individualpilger, die nicht in einer großen Gruppe anreisen, immer größer wird“. Rund 650 angemeldete Gruppen seien im Wallfahrtsort empfangen worden, „die Größen reichen von 15 bis 15.000 Pilgerinnen und Pilger pro Gruppe“, erklärt Killich. Er freut sich, dass auch immer mehr Pilger aus dem süddeutschen Raum die „Trösterin der Betrübten“, als die Maria in Kevelaer verehrt wird, besuchen.
Die Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen sind es, die dem neuen Wallfahrtsrektor Stefan Dördelmann besonders in Erinnerung geblieben sind. „Es ist spannend, wie differenziert die Leute sind, die herkommen. Sie alle eint, dass sie mit Wünschen oder einer Suche an den Kapellenplatz kommen, hier innehalten und Stärkung erleben. Das ist eine gute Erfahrung“, sagt er. „Es ist kaum möglich, einzelne Pilgergruppen besonders zu nennen, aber an Wallfahrten wie die der Tamilen oder der Motorradfahrer erinnert man sich schon besonders“, blickt er zurück. Beeindruckt habe ihn auch der Ostkirchentag: „Fast alle, die dort waren, sind von dem Krieg gegen die Ukraine betroffen. Und alle, so unterschiedlich sie auch waren, haben hier gemeinsam friedlich gefeiert.“
Die Möglichkeit, mit verschiedenen Angeboten und Formaten Begegnung zu ermöglichen, ist das Anliegen von Pastoralreferent Dr. Bastian Rütten. „Der Trend geht zu neuen Formaten für kleine Gruppen“, hat er festgestellt, „die Menschen lassen sich von vielen Angeboten anlocken, auch wenn sie sonst keinen großen Bezug zur Kirche haben. Das ist ein großes Geschenk, das wir hier jeden Tag erleben dürfen.“ Daher freue er sich schon auf die Uraufführung des Magnifikat, das er mit Lehnen inszeniert hat und das am 1. Dezember unter anderem mit dem WDR-Rundfunkchor erstmals in der Basilika aufgeführt wird. „Auch wenn das Pilgerjahr offiziell beendet ist, sind wir mit unseren seelsorglichen und kulturellen Angeboten ebenso weiterhin für die Menschen da wie mit der Möglichkeit, eine Kerze bei der Trösterin der Betrübten zu entzünden.“
Allen drei Verantwortlichen ist es ein Anliegen, zum Ende des Jahres auch an all jene zu denken, die sich mit viel persönlichem Engagement und ehrenamtlich für das Gelingen der Wallfahrt einsetzen. „Die Wallfahrt lebt davon, dass Menschen da sind, die sich kümmern. Dafür möchte ich mich bei allen herzlich bedanken“, sagt Dördelmann. Schon jetzt lädt er ein, im kommenden Jahr unter dem Wallfahrtsmotto „Pilger der Hoffnung“ nach Kevelaer zu kommen.
Christian Breuer