Kirchenhistoriker Angenendt spricht über Ehe, Liebe und Sexualität
Ganz im Zeichen von Lust und Liebe hat am 27. Oktober die Veranstaltung "Ehe, Liebe, Sexualität im Christentum" in der Münsteraner Akademie Franz Hitze Haus gestanden.
Der emeritierte Kirchenhistoriker Arnold Angenendt nahm die über 250 Besucher mit auf eine abenteuerliche Reise durch die Geschichte menschlicher Begierden, kirchlicher Moralvorstellungen und zu der Frage, was gottgewollt, richtig oder falsch sei.
So erfuhren die Teilnehmer, dass die menschliche Sexualität sich seit Jahrhunderten im Spannungsfeld zwischen Ausbeutung und Gleichberechtigung, Unterdrückung und Freiheit, Scham und Freude bewege. Auch das Christentum sei seit seiner Entstehung praktisch wie reflexiv herausgefordert. "Es prägte gleichermaßen die Vorstellung von gleichberechtigter Partnerschaft wie auch von Lustfeindlichkeit", erklärte der 81-Jährige.
Angenendt zeigte in seinem mit der Antike einsetzenden Überblick, dass die Geschichte der praktizierten Sexualität durchaus von Liebe zeuge, aber zugleich voller Zwänge und Grausamkeiten gewesen sei. Am Beispiel der Mutter des Malers Albrecht Dürers erläuterte er die Rolle der Frau: "Albrecht Dürers Mutter war mit 15 verheiratet, hat 18 Kinder bekommen, drei von ihnen haben überlebt." Sein Fazit: "Die Frau hatte keine Chance in dieser ungleichen Beziehung, war abhängig vom körperlich stärkeren, älteren Mann, dem Versorger der Familie."
Die Kohlezeichnung einer verbrauchten, ausgemergelten Frau wurde zur Verdeutlichung des Gesagten an die Wand projiziert: Dürers Porträt seiner Mutter.
Drastisch und anschaulich ging es weiter, als sich der Kirchenhistoriker mit dem Thema Selbstbefriedigung beschäftigte. Bis hinein in die scholastische Theologie des Mittelalters war man laut Angenendt der Ansicht, dass der Samen des Mannes bereits ein kleines Menschenwesen enthalte und die Frau nur die Ackerfurche für den Samen zur Verfügung stelle. Selbstbefriedigung, Homosexualität und auch Empfängnisverhütung wurden so als "Samenverschwendung und Todsünde" verdammt.
"Dabei war das eine falsche Bibelinterpretation durch das kirchliche Lehramt – peng", erklärte er ausdrucksstark dem lachenden Publikum. Seine Generation habe noch schwer unter dieser Falschinterpretation gelitten.
Das Christentum habe aber auch positiv in die Geschichte gewirkt. Es könne als Vorreiter für die Gleichberechtigung von Mann und Frau angesehen werden. Der aus der altgriechischen Philosophie aufgegriffenen Impuls mündete im zwölften Jahrhundert in der revolutionären Idee, dass die Ehe auf dem freien Willen zweier Gleichberechtigter beruhe.
Angenendt führte zur Erklärung die Gottesmutter an, "die die Gattin Josefs genannt wird, obwohl sie Jungfrau war. Nicht der Geschlechtsverkehr begründet mehr die Ehe, sondern der Konsens, die gegenseitige Liebe und Achtung" – die Geburtsstunde der romantischen Liebe. Und die wäre ohne Christentum nicht denkbar.
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de