Diese erkannte auch der Bischof in seiner Begrüßung an. Dem Bistum sei es wichtig, bei den Treffen mit unterschiedlichen Berufsgruppen über gesellschaftliche Entwicklungen im Gespräch zu bleiben. In diesem Sinne widme man sich heute einem Thema, das im Umgang mit Patientinnen und Patienten zu Recht an Bedeutung gewinne.
Die dahinter stehenden Erkenntnisse erläuterte die Referentin. Die Radiologin, deren Werdegang und Arbeit der Bischof skizzierte, leitet die Forschungsgruppe „Cognition & Gender“ an der Medizinischen Fakultät Münster. Nach der Darstellung der zentralen Begrifflichkeiten erläuterte sie die unterschiedlichen Strukturen männlicher und weiblicher Gehirne – denn sich dieser bewusst zu sein, ist auschlaggebend für die erfolgreiche Rehabilitation beispielsweise nach einem Schlaganfall. Hierbei müssten bei Frauen andere Bereiche des Gehirns stimuliert werden als bei Männern.
Ebenso ging Pfleiderer unter anderem auf die geschlechtsspezifischen Erbsubstanzen und deren Auswirkungen auf das jeweilige Immunsystem ein. Demzufolge haben Frauen ein aktiveres Immunsystem, was bei ihnen einerseits die Abwehr von Viren fördert und die Wirkung von Impfungen erhöht, andererseits aber ebenso die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen. Unterschiede beschrieb die Fachfrau auch in der Anfälligkeit für das Corona-Virus oder im Empfinden von Schmerzintensität.
Anhand von Fallbeispielen stellte sie dar, dass Herzinfarkte bei den Geschlechtern mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen. Sie würden deshalb bei Frauen oft später festgestellt. Bei Männern hingegen würden Krankheiten wie Depressionen oder Osteoporose vielfach spät oder nicht entdeckt. Auch die unterschiedlichen Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten, die eine individuellere Dosierung erforderlich mache, erklärte die Medizinerin. Beispielsweise könne ASS bei Männern das Risiko für einen Herzinfarkt vorbeugend erheblich senken, bei Frauen hingegen reduziere es die Gefahr eines Schlaganfalls.
Abschließend betonte Pfleiderer noch einmal die Wechselwirkung der sozialen Kategorie Gender, der biologischen Kategorie Sex und der Genetik. Sie wirke sich auf Therapie, Prävalenz und Symptomausprägung aus. „Geschlechtersensible Betrachtung der Medizin ist deshalb wichtig“, unterstrich die Expertin, „damit Menschen möglichst lange gesund bleiben, individuell optimal behandelt werden und die optimale Medikamentendosis mit möglichst wenig Nebenwirkungen erhalten.“ Sie sprach sich für den Ausbau der Forschung zu diesem Thema aus und sagte: „Es ist unverzichtbar, alle Faktoren zu betrachten, um zu erklären, warum der Patient oder die Patientin mir genau diese Symptome präsentiert.“ Dieser Erkenntnis stimmten in der anschließenden lebhaften, von Dr. Peter Kleine-Katthöfer moderierten Diskussion viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu.