Mehrere Hundert Experten bei interdisziplinärer Fachtagung in Münster

, Bistum Münster

„Das Schöne in meiner Seele hat überlebt“ – Eine unerwartet positive Überschrift steht über einem Treffen, bei dem unfassbar grausame Erniedrigungen und brutal schmerzhafte Verletzungen an meist weiblichen Opfern im Mittelpunkt stehen. „Sexualisierte und rituelle Gewalt“ lautet das Thema einer Fachtagung, die am 17. und 18. Mai in der Katholischen Hochschule NRW in Münster stattfindet. Als Referierende und Teilnehmende erwartet werden hunderte Pädagogen und Sozialarbeiter, Berater und Seelsorger, Psychologen und Mediziner sowie Ermittler und Augenzeugen.

Das Schöne in der Seele überlebte trotz sexualisierter und ritueller Gewalt

Leiterin des Treffens ist Brigitte Hahn von der Fachstelle für Sekten und Weltanschauungs¬¬fragen in Bistum Münster. Sie weiß, dass Aussteigerinnen aus solchen Kulten sich meist nur „mit größter Anstrengung und viel Unterstützung aus dem zerstörerischen Umfeld“ lösen können. Dennoch gelte für fast jede Einzelne dieser Augenzeuginnen, die sie kennen gelernt habe:  „Die Qualen, die diese Menschen erlebt haben, konnten ihre mitfühlenden, lebenshungrigen und klugen Seiten nicht zerstören.“ Einige der Betroffenen werden auf der Tagung zu Wort kommen.

Die Sektenexpertin geht davon aus, das es viele hundert Opfer alleine in Deutschland gibt, auch wenn es noch an exakten Erhebungen fehle. Täter gebe es in allen gesellschaftlichen Schichten und auch an verantwortlichen Positionen, weshalb Brigitte Hahn sicher ist: „Kulte, die sexualisierte und rituelle Gewalt systematisch und gezielt anwenden, sind eine Gefahr für die Gesellschaft.“

Die Referate und Workshops der Tagung widmen sich beispielsweise dem Ausmaß des Phänomens, den ideologischen Hintergründen oder der Strafverfolgung. Es geht aber auch um Aspekte wie Früherkennung und Diagnose, Ausstieg und Schmerzbewältigung oder digitale Selbstverteidigung.

Ein Vortrag wird jene Empfehlungen an Politik und Gesellschaft vorstellen und einordnen, die der „Fachkreis sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegt hat. Für Nickis, eine der Aussteigerinnen ist klar: „Die Gesellschaft braucht mehr Informationen, auch um zu helfen, Kinder aus solchen Situationen herauszuholen.“ In der Politik müsse das Thema häufiger und intensiver diskutiert werden. Es brauche beispielsweise mehr gesicherte Unterkünfte für die Zeit unmittelbar nach dem Ausstieg. Und für die mittel- und langfristige Aufarbeitung der Horrorerlebnisse bräuchten Betroffene bezahlte Therapien ohne Zeitbegrenzung.

Veranstalter der ausgebuchten Fachtagung sind die Fachstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen des Bistums Münster und der Arbeitskreis „Rituelle Gewalt“ der Bistümer Münster, Osnabrück und Essen. Kooperationspartner sind die Katholische Hochschule Münster, das Netzwerk Gewaltprävention Münster, das Kinderschutzportal Münster und die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle (EFL) des Bistums Münster. Wissenschaftlich begleitet wird die Veranstaltung von Erika Eichhorn, Fachärztin für Psychotherapie und Psychosomatik und Petra Lembke, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.

 

Bildunterschrift:
Brigitte Hahn leitet die Fachtagung zum Thema „Sexualisierte und rituelle Gewalt“. Foto: Julia Erhard