Notfallseelsorge: Tobias Beck und Kollegen werden immer öfter angefragt
„Wir kommen, wenn die anderen gehen“, umschreibt er in einem Satz den Dienst – und meint mit den anderen die Einsatzkräfte von Polizei, Notarzt und Feuerwehr. Online können sich die ehren- und hauptamtlichen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger in einen Kalender eintragen. „Wir fahren rund um die Uhr los, wenn Polizei, Rettungsdienst oder Feuerwehr uns über die Leitstelle um Hilfe bitten“, erklärt Tobias Beck.
Was sie am Einsatzort erwartet, wissen die Notfallseelsorger meist nicht. Statt auf dem Weg im Auto zu grübeln und über mögliche Szenarien nachzudenken, hört der Familienvater zur Ablenkung seine Lieblingsmusik: „Das hilft, ruhig zu bleiben.“
„Jeder Einsatz ist anders“, weiß der Stadtlohner aus Erfahrung, weil jedes Unglück anders sei. Gerufen werden die Notfallseelsorger am häufigsten nach häuslichen Todesfällen, gefolgt von Suiziden und schweren Verkehrsunfällen. Oft sollen sie dabei sein, wenn die Beamten die Todesnachricht überbringen.
Steht Tobias Beck mit der Polizei vor der Tür, ahnen viele Angehörige schon Schlimmes. Der 39-Jährige drängt sich nicht auf: „Ich biete an, bei ihnen zu bleiben, wenn sie es möchten.“ Die einen brauchen jemanden zum Reden, andere sitzen stundenlang neben ihm, die Hände vor dem Gesicht – und sagen nichts: „Dann schweige ich mit ihnen.“ Beck lässt sich ganz auf sein Gegenüber ein, hinterfragt nichts, bewertet nichts, hält alles mit aus. „Mitfühlen, aber nicht mitleiden“, das ist wichtig, betont er. Wie lange er bleibt, hängt vom Einzelfall ab. Mal reicht eine Stunde, mal vergeht eine ganze Nacht. „Ich warte immer, bis sich die Betroffenen aus der ersten Schockstarre gelöst haben. Man bekommt ein Gespür dafür, wann jemand wieder einigermaßen handlungsfähig ist.“ Das kann dauern. Wenn er geht, ist es Tobias Beck am liebsten, dass ein anderes Familienmitglied, ein Nachbar oder jemand aus dem Freundeskreis da ist: „Alleine zu sein, ist in solchen Situationen für die wenigsten gut.“
Der Glaube spielt bei den Einsätzen für die ökumenischen Notfallseelsorger immer eine Rolle: „Wenn der Verstorbene vor Ort ist, versuche ich nach Möglichkeit, dass es eine Verabschiedung gibt.“ Manchmal helfe es, mit Angehörigen eine Kerze anzuzünden oder ein Gebet zu sprechen, auch wenn diese keinen besonderen Zugang zur Religion haben.
Für Tobias Beck ist die Notfallseelsorge eine Herzensangelegenheit, wenn auch keine leichte. „Aber eine wichtige“, sagt er – auch als aktives Mitglied im Deutschen Roten Kreuz (DRK).
Insgesamt fuhren die knapp 363 Notfallseelsorger im NRW-Teil des Bistums Münster 2021 zu 911 Einsätzen raus, 2022 waren es 1052 Einsätze mit 374 Kräften.