Nasenküsse sind tabu: Corona in Indonesien

, Bistum Münster, Kreisdekanat Steinfurt

Die Corona-Pandemie umspannt die ganze Welt. Wie die Situation am anderen Ende der Welt, unter völlig anderen Bedingungen als in Deutschland, aussieht, weiß Schwester Mathilde Franke aus Indonesien. Die gebürtige Eperanerin gehört dem Orden der Schwes-tern der Liebe vom Kostbaren Blut an. Seit Jahren arbeitet die 73-Jährige am Aufbau einer katholischen Hochschule auf der ostindonesischen Insel Sumba mit.

Im Zusammenhang mit Corona ist es günstig, dass Sumba so weit abgelegen ist vom Weltgetümmel, denn noch haben wir keine corona-infizierten Menschen auf dieser Insel“, berichtet sie. Derzeit (Stand 14. Kalenderwoche) sei von den 34 Provinzen nur Nusa Tenggara Timur, auf deutsch Ost-Nusa-Tenggara, zu der Sumba gehört, ohne nachgewiesene Corona-Erkankungen. Schwester Mathilde weiß aber, dass das dauerhaft kein Grund zur Entwarnung ist: „Es gibt auf Sumba circa 400 Corona-Verdachtsfälle. Das sind oft die heimgekehrten Fremdarbeiter  aus Singapur. Sie stehen unter Aufsicht und häuslicher Quarantäne“.

Die entscheidende Herausforderung sei der Zustand des Gesundheitssystems. Denn Sumba verfüge nicht über die medizinische Ausstattung, um den Virus bei Menschen feststellen zu können. Schließlich glichen die Symptome einer Corona-Infektion denen von Erkältungskrankheiten und Tuberkulose, und davon seien aufgrund ihres schlechten gesundheitlichen Allgemeinzustands viele betroffen. „Außerdem gibt es kaum hinreichende ärztliche Versorgung“, sagt Schwester Mathilde. Deshalb würden, so gut es gehe, Vorkehrungen getroffen: „Wie die Weltmeister nähen unsere Schwestern Ärztekittel und Mundschutz.“

Regierung und Kirchen hätten Bestimmungen erlassen, die denen in anderen Ländern gleichen. So seien Bildungseinrichtungen und sonstige öffentliche Einrichtungen geschlossen, die Geschäfte allerdings geöffnet, wenn auch mit Wasser und Seife an den Eingängen.

Für das so wichtige Händewaschen gibt es in Schwester Mathildes Umfeld kreative Lösungen: „Die Mädchen unserer Hauswirtschaftsschule haben sich etwas einfallen lassen: Ein Kanister wird, nachdem man im oberen Drittel ein Loch gebohrt hat, mit  Seifen-Wasser gefüllt und aufgehängt. Ein  Seil an der Halterung wird mit einem Stock am Boden verbunden, der als Pumpe dient. Tritt man darauf, bewegt sich der Kanister und gibt sein Wasser durch das Bohrloch frei.“ Not mache eben erfinderisch.

Als viel schwieriger empfänden die Sumbanesen die geforderten Einschnitte in ihre Kultur, vor allem das Verbot des Nasenkusses. Dieses „Zeichen für Freundschaft und Vertrautheit“ sei strikt verboten. Schwester Mathilde fürchtet aber, dass die Sumbanesen das etwa bei Beerdigungen ignorieren: „Es das Zeichen von Anteilnahme, das man unbedingt geben möchte, das erfolgt fast automatisch.“ Ohnehin seien Beerdigungen eine sehr große Gefahr, denn da kämen Hunderte Menschen zu einem mehrtägigen Ritual zusammen, bei dem man stundenlang zusammensitze. Zwar versuche die Regierung, dieses zu unterbinden: „Aber in den abgelegenen Dörfern ist das Brauchtum stärker als die Regierung.“ Zumal empfänden die Menschen die Aufrufe, zu Hause zu bleiben, Abstand zu halten, sich gut zu ernähren und sich häufig die Hände zu waschen, oft als ironisch: „Sie sind ja froh, wenn sie überhaupt zweimal am Tag irgendwas zu essen haben, und müssen sich das Wasser manchmal kilometerweit holen.“

Versorgungsengpässe gebe es kaum, da die meisten Menschen mangels Industrie von der Landwirtschaft leben. „Allerdings ist der Hunger umso mehr für viele fast ein ständiger Begleiter, weil die Ernten meist nicht üppig sind und die Kleinbauern die zum Teil durch Corona erwerbslosen  Lehrer und  Angestellten mit versorgen  müssen“, sagt Schwester Mathilde.

Die Regierung stelle nach offiziellen Angaben „eine  Riesensumme von Geld für Schutzmaßnahmen und Versorgung“ zur Verfügung. Das Problem sei aber, dieses Geld dorthin zu bekommen, wo es benötigt werde. „Die Menschen in diesem Inselreich mit 3000 Inseln zu versorgen ist schon ein logistisches Problem“, macht Schwester Mathilde deutlich. Indonesien habe 269.603.400 Einwohner.

Sorge mache ihr zudem die Schließung der beiden Flughäfen auf Sumba: „Ist man ernstlich krank oder hat sonst ein wichtiges Anliegen, um auf die Hauptinseln zu fliegen, kommt man einfach nicht weg.“ Auch die Widersprüchlichkeit vieler Informationen erschwere Planungen. Außerdem habe alles, was gelesen werden muss, kaum eine Chance, von den Menschen aufgenommen zu werden. Wirkungsvoller seien abschreckende Bilder vergrößerter Viren, die sich über die sozialen Medien verbreiteten.

„Man kann nur hoffen, dass diese Sperre nicht all zulange währen muss und wir alle gesund bleiben in dieser  hoffentlich nicht zu langen Übergangszeit“, sagt die Ordensfrau und zieht eine Bilanz, die nicht nur für Indonesien gilt: „Am besten, man hält sich an die Vorsichtsmaßnahmen  und arbeitet, wo es nötig und verantwortbar ist.“

Anke Lucht

Bildunterschrift: Die Lebensbedingungen auf Sumba erschweren es, die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen.